Hamburg: Johannes-Passion in der Karwoche

Wenn die christliche Leidensgeschichte sich ins Opernhafte weitet

Wer die Wahl hat, hat die Qual – und am Ende den Genuss. In der Karwoche erklingt Bachs Johannes-Passion in Hamburg an vielen Orten.

© Michael Zapf

Dirigiert in St. Michaelis eine szenische Collage: Jörg Endebrock

Dirigiert in St. Michaelis eine szenische Collage: Jörg Endebrock

Am 7. April des Jahres 1724 dirigierte Johann Sebastian Bach die heutzutage weltberühmte Johannes-Passion zum allerersten Male in der Leipziger Nikolaikirche mit seinen Thomanern. Genau 298 Jahre ist dieser Karfreitag jetzt her, aber irgendwie rechnet man im Norden alternativ und zieht das runde Jubiläum vor. Denn wie anders wäre es zu erklären, dass in Karwoche und Osterzeit nicht weniger als zehn Aufführungen dieses ersten von Bachs groß angelegten oratorischen Werken in Hamburg und Umgebung anstehen?

Wegen ihrer dramatischen Dichte eignet die Johannes-Passion sich aber auch gut als Folie für historische Parallelen jeder Art, was vor allem den fast opernhaft angelegten Szenen insbesondere des Chores zu danken ist. Im Michel zum Beispiel entwirft der Schauspieler und Regisseur Till Krabbe eine szenische Collage der originalen Bachnummern mit Texten aus dem Prozess um die christlichen Widerstandskämpfer Graf von Moltke und Alfred Delp vor dem Berliner „Volksgerichtshof“ 1945. Das von vornherein todbewehrte Verfahren gegen die beiden kirchlichen Märtyrer wird dabei in Beziehung gesetzt zum Prozess, den Pilatus gegen Jesus anstrengte – von wütendem Volk angestachelt.

Aber auch die anderen Aufführungen versprechen dank recht prominenter Besetzungen höchst lehr- und genussreiche Erlebnisse, deren Erkenntnis gerade dieser Tage nicht neu ist, aber Platz für Hoffnung lässt: Bei allem Hass und aller Wut zwischen den sündigen Menschen bleibt doch das Göttliche ein Trost.

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