Bis zu 37 Grad Celsius Tageshöchsttemperatur, selbst noch um 19 Uhr. Eine Hitzeglocke liegt über dem europäischen Festland, an Aktivitäten im Freien ist kaum zu denken – geschweige denn anzuraten. Eine angenehm temperierte Zuflucht bietet das Pigage-Theater im Schwetzinger Schloss, wo sich in der grünen Oase des Schlossgartens nur noch vereinzelt Besucher auf die Suche nach schattigen Parkbänken unter altem Baumbestand machen. Dort stand mit Händels „Giulio Cesare in Egitto“ die vorletzte Premiere des Nationaltheater Mannheim für die Saison auf dem Programm – eine Barockoper in der wohltuend kühlen, hölzernen Verkleidung des ältesten Rangtheaters Europas. In der Sommerresidenz des Mannheimer Kurfürsten Karl Theodor. Welcher Ort könnte für Händel geeigneter sein?
Regisseurin Lucía Astigarraga, offenbar auf hitzebedingte Ausnahmezustände vorbereitet, verlegt ihren „Giulio Cesare“ kurzerhand an den Pool. Keine schlechte Idee: Tolomeos Palast verbindet die Aura eines Schurkenverstecks mit der Ästhetik eines Betonbungalows für mallorquinischen Massentourismus. Passend dazu begeht Achille, Tolomeos Handlanger, bereits in der Ouvertüre den Auftragsmord an Pompeius – in bester James-Bond-Manier im Neoprenanzug und mit Harpune.

Szenisch ermattend, schauspielerisch agil
Die Drehbühne erlaubt unterschiedliche Einblicke in das Anwesen: einmal auf einen halbtransparenten Duschvorhang, dann auf den Portikus, ein anderes Mal auf die eher nüchterne Poolseite oder eine typische Beckenleiter, die auf das Dach führt. Die Bilder verbrauchen sich jedoch allmählich. Der szenischen Monotonie wirkt allein die Komik in der Beweglichkeit der sechs Hauptfiguren entgegen, die sich auf erstaunlich engem Raum geschickt aus dem Weg zu gehen wissen.
Cleopatra, von Olga Jelínková mit technischem Können, souveränen Koloraturen und einer fast schon beiläufigen Gelassenheit gespielt, verbleibt meist auf der Sonnenseite des Geschehens, auf dem Dach des Hauses, wo sie ihre Arien über dem Konflikt schweben lässt. Das Leben könnte angenehm sein, wäre da nicht der Bruder Tolomeo, der Thronstreit und ein gewisser Giulio Cesare.
Grundkonflikte beleuchten
Regisseurin Astigarraga allerdings interessiert sich weniger für den reinen Herrschaftskonflikt, sondern vielmehr für das mitunter gewaltsame, bevormundende Verhältnis der Geschlechter in Händels Werk. Sie setzt auf starke Gestik und eine lebendige Personenführung. Davon profitiert besonders Cornelia, die sich als stolze Römerin gegen die Erniedrigung durch den übergriffigen Achille nach Kräften zur Wehr setzt.

Starke Mutter-Sohn-Verflechtung
Cláudia Ribas gestaltet dabei eine ausdrucksstarke Cornelia – mit tröstender Wärme, tragenden Farben und feinem Ausdruck in den zahlreichen Lamenti wie „Priva son d’ogni“ („Mir ist jeder Trost genommen“) zu Beginn oder im eindringlichen Duett mit Sohn Sesto: „Son nata a lagrimar“ („Zum Weinen hin bin ich geboren“). Den interpretiert Ruth Häde als kleine Wunderwaffe des Abends, beständig und entschlossen, den Vater im Stil eines John Rambo zu rächen – mit entsprechender sängerischer Aktion, das in den Arien geschworene auch in die Tat umzusetzen.
Tolomeo indes, gesungen vom niederländischen Countertenor Gerben van der Werf, wirkt auf seinen sängerischen Höhepunkten etwas instabil. Die hohen Koloraturen sind teilweise zu ambitioniert, die Stimme rutscht gelegentlich zurück in die tiefen Register, worunter auch die Dynamik leidet. Seinen darstellerischen Qualitäten schadet das nicht, insbesondere dann nicht, wenn der widerwärtige Lüstling sich als Zeichen der Macht einen Fetzen des Kleides Cornelias in den Schritt steckt und in Bademantel und Sandalen selbstverliebt umherflaniert.

Titelrolle behauptet sich gegen das Orchester
Die Titelrolle des Giulio Cesare ist bei Sophie Rennert in besten Händen. Die österreichische Mezzosopranistin überzeugt in den unzähligen Arien mit maskuliner Tiefe im Timbre, feinster und zarter Verzierungskunst und großer technischer Sicherheit, wenn auch darstellerisch etwas zurückhaltender als andere. Sie behauptet sich souverän gegen das energetische Dirigat von Paul Agnew, der mit dem Orchester des Mannheimer Nationaltheaters ein bisweilen sehr forciertes Tempo anschlägt. Das verleiht den dramatischen Arien von Wut und Rache Nachdruck, geht allerdings zu Lasten der Lamenti, die stellenweise eine feinere Nuancierung vermissen lassen. Auch die Naturhörner hätten sich in manchen Momenten wohl etwas mehr Zurückhaltung gewünscht.
Am Ende bleibt ein musikalisch guter, sängerisch streckenweise sehr guter Abend. Tolomeo wird erstochen, Achille im Pool versenkt, Cesare triumphiert – und das bei immer noch 27 Grad Außentemperatur. Händels „Giulio Cesare in Egitto“ im Hochsommer: barockes Drama unter passenden klimatischen Bedingungen.
Nationaltheater Mannheim
Händel: Giulio Cesare in Egitto
Paul Agnew (Leitung), Lucía Astigarraga (Regie), Klaus Grünberg (Bühne & Licht), Barbara Drohsin (Kostüme), Sophie Rennert, Olga Jelínková, Cláudia Ribas, Ruth Häde, Gerben van der Werf, Nikola Diskić, Jordan Harding, Matthias Lucht, Orchester des Nationaltheater Mannheim
Termintipp
Do., 03. Juli 2025 19:00 Uhr
Musiktheater
Händel: Giulio Cesare in Egitto
Sophie Rennert (Giulio Cesare), Amelia Scicolone (Cleopatra), Marie-Belle Sandis (Cornelia), Ruth Häde (Sesto), Gerben van der Werf (Tolomeo), Nikola Diskić (Achilla), Matthias Lucht (Nireno), Paul Agnew (Leitung), Lucía Astigarraga (Regie)
Termintipp
Mi., 09. Juli 2025 19:00 Uhr
Musiktheater
Händel: Giulio Cesare in Egitto
Sophie Rennert (Giulio Cesare), Amelia Scicolone (Cleopatra), Marie-Belle Sandis (Cornelia), Ruth Häde (Sesto), Gerben van der Werf (Tolomeo), Nikola Diskić (Achilla), Matthias Lucht (Nireno), Paul Agnew (Leitung), Lucía Astigarraga (Regie)
Termintipp
Fr., 11. Juli 2025 19:00 Uhr
Musiktheater
Händel: Giulio Cesare in Egitto
Sophie Rennert (Giulio Cesare), Amelia Scicolone (Cleopatra), Marie-Belle Sandis (Cornelia), Ruth Häde (Sesto), Gerben van der Werf (Tolomeo), Nikola Diskić (Achilla), Matthias Lucht (Nireno), Paul Agnew (Leitung), Lucía Astigarraga (Regie)
Termintipp
So., 13. Juli 2025 18:00 Uhr
Musiktheater
Händel: Giulio Cesare in Egitto
Sophie Rennert (Giulio Cesare), Amelia Scicolone (Cleopatra), Marie-Belle Sandis (Cornelia), Ruth Häde (Sesto), Gerben van der Werf (Tolomeo), Nikola Diskić (Achilla), Matthias Lucht (Nireno), Paul Agnew (Leitung), Lucía Astigarraga (Regie)
Termintipp
Mi., 16. Juli 2025 19:00 Uhr
Musiktheater
Händel: Giulio Cesare in Egitto
Sophie Rennert (Giulio Cesare), Amelia Scicolone (Cleopatra), Marie-Belle Sandis (Cornelia), Ruth Häde (Sesto), Gerben van der Werf (Tolomeo), Nikola Diskić (Achilla), Matthias Lucht (Nireno), Paul Agnew (Leitung), Lucía Astigarraga (Regie)