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Opern-Kritik: Ruhrtriennale – I Did It My Way

Dann lieber gleich „Hello Again“

(Bochum, 21.8.2025) In der Jahrhunderthalle Bochum enttäuschen Ivo van Hove und Lars Eidinger bei der Eröffnung der Ruhrtriennale mit „I Did It My Way“.

vonRoberto Becker,

Die Eröffnung des aktuellen Jahrgangs der Ruhrtriennale wird traditionsgemäß in der Jahrhunderthalle in Bochum zelebriert. Wobei das Drumherum auch schon deutlich üppiger herausgeputzt war. In diesem Jahr ist das, was in der imposanten Halle stattfindet, auch eine Verführung zum Abschweifen der Gedanken. Allerdings in eine Richtung, die kaum Absicht gewesen sein dürfte. Zwar steht der als Abschiedssong geradezu berühmte Sinatra-Titel „I Did It My Way“ oben drüber und legt eine Nachdenkverführung übers Leben (von privat bis allgemein) nahe, wozu ja das (Wieder-)Anhören von gut abgehangenen, für sich genommen bewährten Songs (inklusive von Schlagern) per se verführt. Die Musik des Abends basiert auf Frank Sinatras (1915-1998) Konzeptalbum „Waterworld“ aus dem Jahr 1970 und auf Songs der US-amerikanischen Jazz- und Bluessängerin Nina Simone (1933-2003), die sich auch als Songschreiberin und Bürgerrechtsaktivistin einen Namen gemacht hat. 

Dieser Eröffnungsabend bei dem van Hove für das Konzept und die Inszenierung steht, belegt freilich allzu deutlich die Binsenweisheit, dass die Summe berühmter Namen noch keinen spannenden Theaterabend garantiert. Was als Geschichte einer gescheiterten Beziehung angekündigt wurde, in die obendrein das Konfliktpotenzial, das sich aus der Konstellation weißer Mann/dunkelhäutige Frau ergibt, gespiegelt wird, findet bei van Hove nicht den Weg in eine schlüssig erzählte und packende Geschichte. Was ausdrücklich nicht an der von Henry Hey geleitete Big Band lag, die hoch oben auf dem Dach einer Hausfassade platziert war (Bühne: Jan Versweyveld).

Szenenbild aus „I Did It My Way“ bei der Ruhrtriennale 2025
Szenenbild aus „I Did It My Way“ bei der Ruhrtriennale 2025

Von Sinatra zu Carpendale

Was freilich nicht an der Methode liegen kann. Wenn sich der zu Recht als Schauspieler hochgeschätzte Lars Eidinger und die mit ihrer taffen Musicalpräsenz beeindruckende Larissa Sirah Herden dran machen, im Wechsel ihre insgesamt 29 Titel zu präsentieren, und sich dabei alsbald zwischen poetisch verpackten Allgemeinplätzen eine eher depressive Melancholie ausbreitet, erinnert man sich an geglückte Varianten dieser Art von Nachverwertung von Songs (oder Balladen oder Schlagern und ähnlichen Einzelstücken) und landet (für manche sicher überraschend) geradewegs bei Howard Carpendale und in einer gefeierten, weil durchweg geglückten Musical-Uraufführung von „Hello Again“ in der Musikalischen Komödie in Leipzig.

Wie in Bochum die Fassade mit der Südstaatenanmutung stand auch in Leipzig ein Haus auf der Bühne. Aber das hatte und erzählte eine Geschichte. Von Liebe und Trennung, von Leben, Tod und Erinnerung. Auch da musste nichts neu erfunden, sondern einem inneren Kompass folgend, in die richtige Reihenfolge gebracht werden. Ging man in die damalige Premiere noch mit eher gedämpften Erwartungen und war gefasst, noch weniger zu finden, verließ man das Haus überrascht und beschwingt.

Szenenbild aus „I Did It My Way“ bei der Ruhrtriennale 2025
Szenenbild aus „I Did It My Way“ bei der Ruhrtriennale 2025

Eidinger ohne Glanz

In Bochum war es jetzt umgekehrt. Die Ruhrtriennale hat einen Ruf, ist ein ambitioniert Grenzen überschreitendes Festival, das Künstler vom Kaliber Eidingers rekrutieren und damit selbst locken kann. Und dann kommt nur ein ziemlich seichtes, nie wirklich packendes Arrangement heraus. Und erwischt den ja wirklich multitalentierten Eidinger ausgerechnet auf seinem eher schwachen Sing- und Tanzfuß. Wenn er das erste Mal den berühmtesten, titelgebenden Sinatra-Song allein singt, dann kann man das noch mit einem bewussten Absetzen vom Sound des Vorbildes verwechseln. Sein Gesang bleibt aber so. Der Kontrast zu der famos singenden Herden wird für ihn zum Handicap.

Bei ihr liegt das Problem eher darin, dass die ihr zugewiesene Geschichte, die ihren abrupten Auszug aus dem Haus und das Verlassen von Mann und den Kindern, also von den Szenen einer Ehe, zu Schlaglichtern der Emanzipation der Schwarzen in den USA stilisiert wird. Gleich ganz hinauf bis zu Martin Luther King und der Trauer über seine Ermordung („The King of Love is Dead“).

Szenenbild aus „I Did It My Way“ bei der Ruhrtriennale 2025
Szenenbild aus „I Did It My Way“ bei der Ruhrtriennale 2025

Verpasste Chancen

Dass Eidinger die Liebeserklärung an ein demokratisches Bilderbuch-Amerika, das es auch früher nie gegeben hat, auf der Straße und wie ein Bettler auf dem Boden kauernd beisteuert, hätte ein Ansatz für ein ernsthaftes musical-ähnliches oder auf der Bühne lebensfähiges Stück sein können. Rutschte aber vorbei, so wie die eher belanglose Choreografie mit der Serge Aimé Coulibaly seine beiden (sie mehr, er eher weniger) singenden Protagonisten und die ihnen beigefügten jeweils zwei tanzenden Doubles über die imaginäre Straße und durch die aufgeklebten Pfützen toben, zappeln oder schlittern lässt.

Übrigens gab es nicht nur den Carpendale-Treffer. Die Oper Halle, die ihre ambitionierten Aufbruchjahre schon einige Zeit hinter sich hat, überraschte am Ende der Spielzeit mit einem von Henrik Bierwirth komponierten Pop-Musical. Packende Songs zu einer hochpolitischen Geschichte, wie man sie heute kaum noch für möglich hält. Weder an das eine noch das andere kommt die aktuelle Eröffnung der Ruhrtriennale auch nur ansatzweise heran. Schade eigentlich.

Ruhrtriennale
Sinatra/Simone: I Did It My Way

Henry Hey (Leitung), Ivo Van Hove (Regie), Serge Aimé Coulibaly (Choreografie), Jan Versweyveld (Bühne), Christopher Ash (Video), An D’Huys (Kostüm), Erwin Sterk (Sounddesign), Lars Eidinger, Larissa Sirah Herden






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