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Theater Regensburg: „Wir“ von Anton Lubchenko

Wohlsein für Alle?

Regensburg bringt Opernuraufführung nach Samjatins Dystopie „Wir“

vonRoland H. Dippel,

Neues Musiktheater kann ein Spiegel brisanter gesellschaftlicher Zäsuren und Entwicklungen sein, wie das Theater Regensburg ab 15. März beweist. Dort wird Jewgeni Iwanowitsch Samjatins Roman „Wir“ (1920) zum Sujet eines musikalischen Bühnenwerks. Dessen Komponist Anton Lubchenko ist in Regensburg kein Unbekannter: Bereits 2015 wurde hier seine Oper „Doctor Zhivago“ uraufgeführt, ein musiktheatralisches Spektakel mit greller, aufreizender und brachialer Musik. Auch in seiner neuen Oper nach einem von ihm selbst und von Daria Panteleeva verfassten Libretto ließ sich Lubchenko durch herausragende Belletristik inspirieren, die erst auf dem Umweg über den Westen in Russland Anerkennung fand. „Wir“ war der erste Roman, der in der jungen Sowjetunion verboten worden war.

Beängstigendes Panorama eines funktionalen Staatswesens

Der Autor Samjatin nahm vieles vorweg, was in aktuellen Diskursen über neue und soziale Medien verhandelt wird: Big Data, die Angst vor antihumaner Verflachung, den Zerfall von privaten Zellen und individuellen Regungen. Er beschrieb das beängstigende Panorama eines funktionalen Staatswesens: „Ich empfand mich als Teil eines gewaltigen, einheitlichen Organismus. Und welch exakte Schönheit: keine überflüssige Geste, Neigung, Drehung“, reflektiert D-503, der Bürger, Chronist und anfängliche Befürworter des großen Kollektivs „Wir“. Maximilian Eisenacher, der gemeinsam mit Operndirektorin Christina Schmidt die Regie übernimmt, sowie Ausstatter Michael Lindner und Videokünstler Jonas Dahl inspirierten sich an Fiktionen und Visionen aus Hochphasen der literarischen Science-Fiction und an wissenschaftlichen Szenarien der letzten Jahrzehnte. Neben dem Countersopran Onur Abaci als Großer Wohltäter und der Sopranistin Gesche Geier als I-330 steht zur Uraufführung ein ambitioniertes Ensemble auf der Bühne. Es dirigiert Tom Woods, der bereits vor sieben Jahren die musikalische Leitung von Lubchenkos „Doctor Zhivago“ übernommen hatte.

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