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Porträt Benny Goodman

Der strenge Perfektionist

NDR Kultur mit einer dreiteiligen Sendereihe über den amerikanischen Swing-Klarinettisten und Bandleader Benny Goodman

vonSarah Seidel,

Amerika Ende der 1930er Jahre, die Zeit nach der Großen Depression. In den Ballrooms und Clubs wird ausgelassen zu Swing-Musik getanzt. Sing Sing Sing ist das Stück der Stunde – und untrennbar mit Benny Goodman und seinem Klarinetten-Sound verbunden, auch wenn Goodman den Song nicht selbst geschrieben hat. So ging es mit etlichen Jazz-Titeln und Broadway-Melodien, die in seiner Version zum Erfolg wurden.

Benny Goodman war weder der Erfinder noch der Erneuerer des Big Band-Swing und dennoch während der Swing-Ära dessen populärster Vertreter. Mit seinem lupenreinen Ton spielte sich der Sohn einer armen jüdischen Immigrantenfamilie intonationssicher in die erste Liga des Jazz. Geboren am 30. Mai 1909 in einem schäbigen Viertel Chicagos, bekam er mit zehn Jahren seine erste Klarinette, hatte Unterricht bei einem Klarinettisten des Chicago Symphony Orchestra, war mit 19 einer der Star-Solisten der weißen Jazz-Band von Ben Pollack und nur ein Jahr später, nunmehr in New York, ein vielbeschäftigter Studio-Musiker. Er wurde zu einem der bekanntesten Big Band-Leader seiner Zeit und avancierte im Januar 1938 über Nacht zum Star – durch einen einzigen Auftritt und dessen Live-Übertragung im Radio: In der Carnegie Hall, dem New Yorker Tempel der klassischen Musik, fand unter seiner Leitung das erste große Jazz-Konzert statt. Spätestens nun war er unbestritten der „King Of Swing“.

Benny Goodman hatte nicht nur ein Händchen für die besten Arrangeure seiner Zeit – der wichtigste unter ihnen Fletcher Henderson –, sondern auch für die interessantesten Solisten. Der energiegeladene Rhythmus etwa, den man bei Goodman hören konnte, wurde fünf Jahre lang angeheizt von Gene Krupa, einem der bedeutendsten Schlagzeuger der Big Band-Ära.

Stets legte Goodman Wert auf die saubere Umsetzung der Partituren und auf Disziplin, er war ein Perfektionist. Seine Strenge machte ihn zu einem gefürchteten Bandleader – was der Klarinettist Rolf Kühn bestätigen kann, der in den 50ern nach Amerika ging, zwei Jahre lang als Solist für Benny Goodman spielte und sogar für ihn als Bandleader einsprang, wenn er selbst verhindert war. „Er hatte einen ganz starren Blick, wenn er probte“, erzählt Kühn. „Ein Blick auf einzelne Leute – die wurden natürlich unsicher. Dieses Starren, das unbewegliche Gesicht. Der Betreffende wusste nicht, spielt er gut, spielt er schlecht? Das war das, was man als ‚Goodman-Ray‘ bezeichnete“.

Goodman galt als arrogant und exzentrisch, doch dem Rassismus in der Musik bot er die Stirn. Er ließ in seinen Gruppen weiße und schwarze Musiker zusammen spielen und drohte Veranstaltern, die ein Problem damit hatten, mit einer Konzertabsage. In kleineren Besetzungen, etwa mit Teddy Wilson, Charlie Christian und Lionel Hampton lotete er intensiv die neuesten Entwicklungen des Jazz wie den Bebop aus und zeigte dabei mehr Tiefgang als in seinen populären Big Bands.

Benny Goodman war ehrgeizig genug, sich auch mit einem klassischen Repertoire auf der Bühne zu präsentieren. Er wagte sich an Klarinetten-Werke von Mozart, Brahms und Debussy. Auch zeitgenössische Komponisten schrieben für ihn, darunter Aaron Copland, Paul Hindemith und Béla Bartók. Als Goodman am 13. Juni 1986 im Alter von 77 Jahren in seiner New Yorker Wohnung starb, fand man ihn an der Wand sitzend, die Klarinette noch in den Händen, auf dem Notenständer vor ihm ein Werk von Brahms.

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