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Porträt Herz-Jesu-Kirche

Ein leuchtender Kubus

Die Herz-Jesu-Kirche in Neuhausen ist nicht nur eine außergewöhnliche Kirche, sondern auch ein stimmungsvoller Konzertsaal.

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Von den Münchnern als „Aquarium“ oder „Containerhalle“ beschimpft, von der FAZ als „Dreieinigkeit in der Box“ gepriesen: die katholische Pfarrkirche Herz Jesu im Münchner Stadtteil Neuhausen hat manches bayerische Gemüt beunruhigt. Tagsüber wirkt das Gotteshaus, das im „heiligen“ Jahr 2000 nach einer wechselvollen Geschichte wiederaufgebaut wurde, wie eine Glasschachtel mit einer blauen Front: ganze 16 Meter hoch, 21 Meter breit und 48 Meter lang. Nachts aber mutiert es zu einem überdimensionalen Kristall, der von innen warm leuchtet. 

Geheimnisvolle Lichtstimmungen wechseln sich ab


Doch erst, wenn sich an der Südseite die zwei 14 Meter hohen, schweren Glasflügel – die wohl größten Kirchentore der Welt – öffnen, dann offenbart sich ihre Magie, Großartigkeit und Würde. Mal heller, mal dunkler, aber stets im weich diffusen Licht zu erkennen scheint das raumhohe Kreuz hinter dem Altar auf, mehr Schattenbild als handfestes Zeichen. Die Kirche verdankt ihre magische Stimmung der architektonischen Meisterleistung des Kirchenbauers Meinhard von Gerkan: In die äußere Hülle aus Glas hat er einen Kubus aus Ahornholz gesetzt – einen hölzernen Schrein, dessen über 2.000 senkrecht und im unterschiedlichen Abstand voneinander stehenden Holzlamellen die Wege des Lichtes – je nach Sonnenstand – leiten. Der Raum scheint permanent lichtdurchflutet, ohne sichtbare Leuchten. Überhaupt strotzt das Haus voller Zeichen, Botschaften und verschlüsselter Symbolik, die erst auf den zweiten Blick zu erkennen sind; manchmal auf den dritten. Etwa der Umgang, der zwischen Innen- und Außenkubus, der Glasfassade und dem hölzernen Paravent verläuft. Er symbolisiert den Kreuzweg, die 14 Stationen der Via Dolorosa in Jerusalem, illustriert von Schwarz-Weiß-Fotografien von Matthias Wähner von 2000. Auch die Vorderseite des Portals, mit ihrem sonderbaren Muster aus stilisierten weißen Nägeln ist voller Geheimnisse. Im Kontrast dazu das Gemälde aus dem 16. Jahrhundert am Eingang unter der Orgelempore: Madonna mit Kind aus der Werkstatt von Jan Polack, dem Meister der Blutenburger Marientafeln.

„Big Ben ertönt über Neuhausen“ titelten die Medien, als am 26. November 2000 die Kirche von Kardinal Wetter eingeweiht wurde. Fünfstimmig, im sogenannten Westminster-Geläut schallte es aus dem Kirchturm, den man 37 Meter hoch neben der Kirche errichtete. Hier ist unter anderem die Sakristei, das Pfarrhaus und der Campanile untergebracht, ein Glockenstuhl aus Lerchenholz. In Herz Jesu hat man übrigens die Melodie noch durch einen Ton ergänzt.

Jubiläum der Woehl-Orgel


Die Kirche selbst ist ein einziges Wunder an Resonanz, besonders die Orgelempore, weshalb auf ein sichtbares Orgelgehäuse verzichtet werden konnte. 60 Register hat die silberne Orgel von Gerald Woehl, die im Oktober 2004 gesegnet wurde. Die Register verteilen sich auf drei Manuale und Pedal. Die Spieltraktur sowie sämtliche Koppeln sind mechanisch, die Registertraktur ist elektrisch. Die Tastenbeläge bestehen aus Mammutknochen. Das Schwellwerk wurde nach dem Vorbild der Orgel von Sainte Trinité in Paris disponiert, Haupt- und Oberwerk orientierten sich an mitteldeutsche Traditionen; kurzum: eine sehr „farbige“ Gesamtdisposition, die es dem Organisten des Hauses Karl Maureen ermöglichen, die alten Meister wie auch romantische oder neuzeitliche Orgelliteratur zu interpretieren. „Sehen – Hören – Staunen“ heißt es demnach an jedem Sonntagabend, an dem traditionelle, experimentelle und avantgardistische Musik zu hören ist. Während des Hochamts erklingt das Messrepertoire aller bedeutenden Komponisten. Im Oktober feiert die Gemeinde das zehnjährige Jubiläum der Woehl-Orgel. Im November lädt der Organist Karl Maureen zu „100 Jahre Albert Schweitzer in Lambarene“ ein.

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