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Porträt Max Emanuel Cencic

Keine Rampensau?

Er gehört zu den besten Countertenoren der Welt und sagt trotzdem über sich selbst, er sei schüchtern: Max Emanuel Cencic

vonStefanie Paul,

Eine Hotellobby in der Kölner Innenstadt kurz vor 23 Uhr. Max Emanuel Cencic lehnt sich in einem Sofa zurück. Zufrieden? „Ja, sehr“, sagt der Countertenor. „Das war ein super Abend.“ Gerade ging die Deutschlandpremiere von Tamerlano zu Ende – gefeiert, mit Bravo-Rufen, Szenenapplaus und stehenden Ovationen. Das an sich wäre nichts Ungewöhnliches für einen Premierenabend. Hätte es sich bei Tamerlano nicht um eine etwa dreistündige, konzertant aufgeführte Barockoper von Georg Friedrich Händel gehandelt. Auf der Bühne sechs Sänger, dazu ein kleines Orchester. Kein Schnickschnack, keine Kostüme, keine gespielte Handlung. Drei Stunden – sitzen – zuhören. „Ich weiß, das ist nicht immer einfach“, sagt Cencic. Trotzdem wird die Aufführung an diesem Abend frenetisch gefeiert.

Mit der Aufnahme von Tamerlano – der Geschichte des gleichnamigen, skrupellosen Tartarenfürsten – hat der in Zagreb geborene Sänger seinen neuesten Coup gelandet. Zweimal hat er die Oper schon gesungen, einmal in der Rolle des fiesen Tartarenfürsten selbst und einmal in der Rolle seines Gegenspielers Andronico. Da lag eine Aufnahme nahe.

Ohne festen Entschluss: Auf die Bühne kam der Mann mit Perücke auf Umwegen

Mittlerweile gilt Cencic als Spezialist, wenn es um die Einspielung von Barockopern geht. Seine CDs wurden bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Klassik-Echo 2013. Countertenöre seien nicht mehr nur bloße Exoten, erklärt Cencic, sie seien massenkompatibel. Der Sänger gehört seit vielen Jahren zu den besten Countertenören weltweit. Doch dass es einmal so weit kommen würde, damit hätte Cencic selbst wohl am wenigsten gerechnet. Es sei bei ihm kein Entschluss gewesen, sondern eher eine langsame Entwicklung. „Ich wollte eigentlich gar nicht Sänger werden“, erzählt der bekennende Perückenträger – der sich deshalb auch gerne als einen echten Mann des 18. Jahrhunderts bezeichnet.

Cencic studierte in den USA Internationale Wissenschaften. Ein Job im Außenministerium, im diplomatischen Dienst, in einem Thinktank oder in der Forschung – das erschien ihm damals reizvoll. „Doch irgendwann hatte ich kein Geld mehr, um das Studium zu finanzieren“, erinnert er sich. Was nun also? Zurück zur Singerei? Dort war Cencic kein unbeschriebenes Blatt. Als er noch bei den Wiener Sängerknaben sang, soll Sir Georg Solti einmal gesagt haben, er habe gerade den schönsten Knabensopran der Welt gehört. Klingt nach besten Voraussetzungen. Hat er seine Entscheidung jemals bereut? „Nein“, sagt Cencic zuerst – und zögert dann doch. Er überlegt und fügt schließlich hinzu: Es gebe schon auch Momente, in denen er denke, das mache so keinen Spaß. Zum Beispiel, wenn man krank auf der Bühne stehen müsse, es Ärger mit einem Veranstalter gebe oder die Freunde für ein langes Wochenende nach Mallorca fliegen.

Schüchtern: Der Auftritt kostet ihn jedes Mal Überwindung

Müsste man Max Emanuel Cencic mit einem Begriff beschreiben, dann würde einem wohl „Workaholic“ oder „Perfektionist“ einfallen. Aber schüchtern? „Im Grunde bin ich ein schüchterner Mensch. Auftreten bedeutet für mich immer eine extreme nervliche Überwindung“, gibt der Sänger zu. Er könne sich eben nicht hinstellen und „die Rampensau“ sein. Und trotzdem ist Cencic enorm erfolgreich. Seinen Erfolg erklärt er sich so: „Das Publikum, das mich zu schätzen weiß, ist einfach ein Publikum, das gerne zuhört.“

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