Startseite » Porträts » „Das Musizieren gibt meinem Leben einen Sinn“

Porträt Menahem Pressler

„Das Musizieren gibt meinem Leben einen Sinn“

Der Pianist Menahem Pressler steht auch an seinem 90. Geburtstag am liebsten auf der Bühne.

vonThomas Jakobi,

Er habe immer noch Hunger auf Musik, hat Menahem Pressler vor ein paar Jahren im Interview bei uns gesagt, und das scheint sich kurz vor seinem 90. Geburtstag im Jahr 2013 nicht geändert zu haben. Statt sich aufwändig feiern zu lassen, will er lieber weiter so oft wie möglich auf der Konzertbühne am Klavier sitzen. Das Rezept für seine erstaunliche Kondition verrät er nicht, aber mit seiner Musik wird es wohl zu tun haben.

1923 wurde er als Max Pressler in Magdeburg geboren. Mit seiner jüdischen Familie floh er 1939 zunächst nach Palästina. 1940 reiste er unter schwierigsten Bedingungen erstmals in die USA, wo er mit dem Gewinn des Debussy-Klavierwettbewerbs in San Francisco einen ersten Schritt Richtung internationaler Karriere machte. Seit 1955 lebt er in Bloomington und unterrichtet dort immer noch als Professor an der Indiana University. Schon seit 1956 tritt er wieder häufig in Deutschland auf; er hat beschlossen, seine hier erspielten Gagen für den Staat Israel zu spenden und behält das bis heute so bei. Inzwischen ist er auch in der alten Heimat vielfach ausgezeichnet und hoch dekoriert samt Bundesverdienstkreuz und Ehrenbürgerschaft in Magdeburg.

Musizierleidenschaft im Beaux Arts Trio

Für die meisten ist der Name des Pianisten untrennbar mit dem Ensemble verbunden, das er und das ihn berühmt gemacht hat: Nicht weniger als 53 Jahre spielte er unzählige Konzerte mit dem von ihm mitbegründeten Beaux Arts Trio, bis es sich 2008 auflöste – nicht weil Pressler nicht mehr wollte oder konnte, sondern weil Geiger Daniel Hope sich auf seine Solokarriere konzentrieren wollte. Das Klaviertrio mit seiner sensiblen Klangbalance wurde zur Königsdisziplin für den Perfektionisten Pressler; erst das Beaux Arts Trio hat diese Kammermusikgattung überhaupt zu Weltgeltung gebracht. Über Jahrzehnte überschlug sich die Presse in Lobeshymnen, immerhin 62 CD-Einspielungen dokumentieren die Ausnahmestellung dieses Ensembles. Pressler hat seine Solokarriere darüber nicht vernachlässigt; aber er hat sich immer als akribisch arbeitenden „Diener der Musik“ und nicht als Star gesehen. Deshalb war die Arbeit im Trio genau seine Welt: „Wenn man sich auf dem Klavier beweisen will, ist man im Trio verkehrt. Man muss die Balance halten. Man hält sich zurück an Muskelstärke, aber nicht an Gefühlen.“

Statt musikalischer Ehe viele Freundinnen

Wenn sich nach so langer Zeit ein festes Ensemble und damit die künstlerische Kernfamilie auflöst, ist das natürlich ein schwerer Einschnitt – Pressler kommentierte ihn damals mit seinem typischen leisen Humor und einem Anflug von Sarkasmus: „Wenn Sie glücklich verheiratet sind und die Frau stirbt und Sie haben dann Freundinnen – das ist auch nett. Das ist das, was ich jetzt tue – ich habe viele Freunde und Freundinnen, mit denen ich spiele. Aber wenn man eine glückliche Ehe hatte, und die hatten wir im Trio, das ist etwas ganz Besonderes.“

Pressler ist also weiter in der Musikwelt unterwegs: Verschiedene Kammermusik-Besetzungen stehen mit seinen Freundinnen und Freunden auf dem Programm, solistische Auftritte natürlich auch. Nach vielen Jahrzehnten auf der Bühne kennt man natürlich das einschlägige Repertoire – für Pressler war das nie ein Motivationsproblem: „Wenn man Musiker ist und es ernst nimmt, kann man nie sagen, ich kenne den Schubert so gut, da entdecke ich nichts mehr. Das ist so reich, so tief. Das Ravel-Trio habe ich vielleicht 600 Mal gespielt, und es ist mir immer kalt den Rücken hinuntergelaufen, wenn ich den Anfang gespielt habe.“ Und so macht er mit anscheinend unerschöpflicher Energie weiter, übt jeden Tag mehrere Stunden und ist auf jeden Auftritt bestens vorbereitet – immer als Diener der Musik, die seinem Leben bis ins hohe Alter einen Sinn gibt.

Auch interessant

Rezensionen

  • Singender Erzähler und erzählender Sänger: Julian Prégardien
    Blind gehört Julian Prégardien

    „Das holt mich nicht ab“

    Tenor Julian Prégardien hört und kommentiert Aufnahmen von Kollegen, ohne dass er weiß, wer singt.

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!