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Porträt Vilde Frang

Mit der Geige Brücken bauen

Fast wäre Vilde Frang Bassistin geworden. Doch das Auto war zu klein

vonOda Tischewski,

Das Cover ihres Debütalbums zeigt Vilde Frang in einer grünlich schimmernden Waldszene. Auch in natura wirkt die 24-Jährige ein bisschen wie eine nordische Elfe: der helle Teint, das gewellte Haar, das bis auf die Hüfte fließt, die dunklen Augen. Und ihr Spiel hat ebenfalls einen zarten, zerbrechlichen, transparenten Klang, der an Fabelwesen denken lässt.

„Das Geigenspiel war das Einzige, über das ich nie wirklich nachgedacht habe“, sagt die Norwegerin, „es ist einfach ein Teil meines Lebens, kein Beruf.“

Vilde Frang wuchs in einer musikalischen Familie auf, der Vater und die Schwester spielten Kontrabass. Für die jüngere Tochter allerdings wurde ein handlicheres Instrument gesucht. „Ich war drei Jahre alt und dachte natürlich, ich würde nun auch Kontrabass spielen, mein Horizont reichte einfach nicht weiter. Aber mein Vater entschied, ich solle lieber Geige lernen – unser Auto hätte einfach nicht drei Kontrabässe und vier Personen transportieren können.“

Im Alter von zehn Jahren debütierte Vilde Frang mit dem Norwegischen Rundfunkorchester, zwei Jahre später lud Mariss Jansons sie ein, unter seiner Leitung mit den Osloer Philharmonikern zu spielen. Immer wieder begegnete sie jedoch auch Skepsis: „Das Leben in Skandinavien ist sehr bequem. Die Menschen haben Geld, sie müssen selten um etwas kämpfen. Da ist die erste Frage oft: ‚Setzen deine Eltern dich unter Druck?‘ Das ist für Skandinavier ganz wichtig: Du darfst nicht gezwungen werden, du darfst dich selbst nicht zwingen, dich nicht überwinden müssen. Aber in der Kunst geht es darum, deine Grenzen zu überwinden, zu kämpfen. Sonst hast du nichts, was du geben kannst.“

Später setzte Vilde Frang ihre Ausbildung in Deutschland fort. Wegweisend wurde die Begegnung mit Anne-Sophie Mutter, deren Stiftung ihr ein sechsjähriges Stipendium gewährte. „Wenn ich ihr zum Beispiel etwas von Debussy vorspiele, dann sagt sie: ‚Fahren wir doch in die Neue Pinakothek und schauen uns die Monet-Ausstellung an, und ich zeige dir, was ich meine.‘ Sie stellt diese Verbindung her zwischen Musik und Kunst, das hat mir viele Türen geöffnet. Ich habe immer das Gefühl, sie habe mir mindestens 200 Jahre voraus, und das wird auch so bleiben, weil sie auf einer sehr besonderen Ebene ist. Aber sobald wir zusammen spielen, sind wir gleichauf.“

In den vergangenen Jahren hat Vilde Frang mit vielen international renommierten Orchestern gespielt, ihre Tourneen führen sie durch Europa, in die USA und nach Fernost. Im Mai 2010 erschien ihre Debüt-CD. 2011 ging sie mit ihrer Mentorin Anne-Sophie Mutter auf Europatournee. Für die Zukunft schwebt Vilde Frang auch die Begegnung mit anderen Kunstrichtungen vor: „Ich würde sehr gerne mit Tänzern, Choreographen, Fotografen oder Regisseuren arbeiten. Nur ich und der Geigenkasten für den Rest meines Lebens – das ist nicht genug. Ich hoffe, dass ich mit meiner Geige eine Brücke bauen kann zu anderen Kunstformen, die ich gern näher kennen lernen würde. Ich möchte Teil eines künstlerischen Konzepts sein.“

Album Cover für
Grieg & Strauss: Sonaten für Violine und Klavier, Bartók: Sonate für Violine Solo Sz. 117 Vilde Frang (Violine), Michail Lifits (Klavier). EMI Classics

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