Startseite » Porträts » „Man ist doch nie fertig“

Porträt Vox Luminis

„Man ist doch nie fertig“

Das belgische Vokalensemble Vox Luminis macht seinem Namen alle Ehre.

vonChristian Schmidt,

Kongenial, beglückend, vollkommen – für ein Vokalensemble ist es alles andere als selbstverständlich, diese wie Superlative wirkenden Attribute kontinuierlich auf sich zu vereinen. Ganz ungefährlich ist es auch nicht, wenn ein fabulös aufeinander eingesungenes Ensemble wie Vox Luminis die Volljährigkeit erreicht, denn auch Sänger werden nicht jünger und mit ihnen altern die Stimmen.

Gleichwohl hat sich das belgische Ensemble seit 2004 seinen Ruf erhalten, begeistert Publikum wie Presse gleichermaßen und gewann für seine zahlreichen Einspielungen unzählige renommierte Preise. Spezialisiert auf italienisches, englisches und vor allem deutsches Repertoire des 16. bis 18. Jahrhunderts, holt sich der künstlerische Leiter Lionel Meunier neben seiner vokalen Stammbesetzung regelmäßig Soloinstrumente oder auch ein komplettes Orchester hinzu.

Was reichlich selbstbewusst klingt, bildet völlig unkapriziös den Markenkern des Ensembles: „Viele sagen, dass unser Name die richtige Wahl war: die Stimme des Lichts.“ Es sei der Klang von heller Strahlkraft gewesen, den er immer im Kopf gehabt habe. „Wir trainieren ihn immer wieder neu, selbst wenn wir ein Programm schon sehr lange im Repertoire haben. Man ist doch nie fertig im Sinne von routiniert.“ Heraus kommt eine ebenso beeindruckende Kongruenz wie Ausdrucksstärke, die in Verbindung mit stupender Intonation und schierer Stimmschönheit eine Vollkommenheit erreichen, wie es bei weitem nicht vielen vergleichbaren Ensembles gegeben ist.

Dabei kam Lionel Meunier selbst erst über Umwege zur Vokalmusik: „Ich war fünf, als ich Maurice André im Fernsehen gesehen und gesagt habe: Das will ich auch machen.“ Also begann er mit dem Trompetenspiel. Wegen seiner Zahnspange musste er zur Blockflöte wechseln. „Aber meine Lehrer rieten mir zum Gesang, dessen Innerlichkeit ich sehr schnell zu schätzen lernte. Das hat mich völlig verändert, und ich begann, wie verrückt Chormusik zu studieren.“ Aus der Einladung an seine Musikerfreunde, für ein einmaliges Projekt ein eigenes Ensemble zu gründen, wurden 18 Jahre. „Ich folgte dem Fluss. Es passierte uns einfach.“
Doch warum macht ein belgisches Ensemble vor allem deutsche Musik? „Als französischsprachiger Belgier liebe ich die deutsche Sprache sehr, verstehe sie auch ein bisschen und verschaffe mir natürlich immer eine genaue Übersetzung der Texte“, sagt Meunier. Zudem ist das Ensemble so international besetzt, dass immer einige Muttersprachler dabei sind. „Kürzlich sagte mir ein engagierter deutscher Sänger, dass er mir dankbar sei, wie sorgfältig ich mit seiner Sprache umgehe, für die er sich nun vollkommen neu begeistern könne“, erzählt der 41-Jährige.

Vox Luminis: „Wir sind in der Nische groß geworden“

Natürlich war auch für die „Stimme des Lichts“ die Corona-Zeit ein tiefer Einschnitt. Die meisten Konzerte fielen aus, der Rest wurde verschoben. Doch scheint diese Zeit das sehr loyal aufeinander eingeschwungene Ensemble eher gestärkt zu haben, weil alle nur darauf warteten, dass es endlich wieder losgeht. „Wir wurden auch sehr gut durch die belgische und wallonische Regierung unterstützt und konnten anfangs 100, später immer noch 70 Prozent unserer Kontrakte bedienen.“ Ein hoher Komfort im Vergleich zu Deutschland. Und Meunier hatte mehr Zeit, sich inspirieren zu lassen, nahm einen Mietwagen und besuchte Leipzig, Weißenfels, Köstritz, Dresden, all die Orte, an denen „seine“ Komponisten zu Hause waren.

Die Situation schenkte ihm auch mehr Zeit zum Nachdenken, wohin man noch will. „Das angefragte Repertoire wird nicht kleiner, sondern breiter, diverser“, so Meuniers Wahrnehmung. „Wir sind in der Nische groß geworden. Daraus haben sich viele weitere Programme entwickelt, ob nun englische Polyfonie, Renaissance a cappella oder profane Musik bis hin zu Uraufführungen zeitgenössischer Werke.“ Und Unbekanntes gebe es ja immer noch reichlich zu entdecken. „Ich hoffe natürlich, dass es noch lange so weitergeht.“ Weitere 18 Jahre? Wer weiß. „Wir haben uns in die Hand versprochen aufzuhören, wenn wir das Gefühl haben, dass die Zeit gekommen ist.“

Termine

Auch interessant

Rezensionen

  • Singender Erzähler und erzählender Sänger: Julian Prégardien
    Blind gehört Julian Prégardien

    „Das holt mich nicht ab“

    Tenor Julian Prégardien hört und kommentiert Aufnahmen von Kollegen, ohne dass er weiß, wer singt.

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!