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Interview Christina Pluhar

„Wir machen keinen Crossover“

Die Harfenistin Christina Pluhar über Freiheit, U-Musik und ihre besondere Verbindung zum Jazz

vonArnt Cobbers,

L’Arpeggiata ist eines der spannendsten und erfolgreichsten Ensembles der Alten Musik. Gegründet wurde es im Jahr 2000 in Paris von der österreichischen Lautenistin und Harfenistin Christina Pluhar.

Frau Pluhar, ist L’Arpeggiata ein festes Ensemble, und wie arbeiten Sie innerhalb der Gruppe?

Es gibt einen Stamm von festen Musikern, der in den vergangenen Jahren zusammengewachsen ist, dahinter stecken einfach viel Arbeit und das Vergnügen am gemeinsamen Musikmachen. Aber es spielen nicht immer dieselben Musiker, die Besetzung kann je nach Programm von sechs bis vierzig Personen variieren. Die Konzeption der Programme, die Arrangements usw., das mache alles ich. Aber die Realisierung erfolgt in der gemeinsamen Arbeit, da kommen Impulse von allen. Und wir machen immer wieder Programme, zu denen wir Künstler einladen, die wir noch nicht kennen. Wir lieben es sehr, Musiker aus anderen Sparten, Tänzer, Jazzmusiker, wen auch immer, einzuladen und mit ihnen zu improvisieren, von ihnen zu lernen.

Ist es ein gewichtiger Teil Ihrer Arbeit, Werke aufzuspüren?

Unbedingt. Ich bin eine begeisterte Forscherin – weil ich es wahnsinnig spannend finde, wenn man in einer Bibliothek sitzt und die Handschriften der Komponisten in der Hand hat, die aus einer ganz anderen Zeit stammen. Durch die Originale bekommt man einen ganz anderen Zugang zum Repertoire. Es gibt aus dem 17. Jahrhundert immer noch unglaublich viele Stücke zu entdecken. Oft ist es ja so, dass man mit einem bestimmten Ziel in die Bibliothek geht und tausend andere spannende Sachen findet.

Was fasziniert Sie so an der Alten Musik?

Es ist eine Kombination von vielen Punkten. An erster Stelle die Musik selbst, die einfach wunderschön ist. Aber auch die Klangfarben der Instrumente, die sehr menschlich und sanft, sehr berührend und ausdrucksvoll sind. Die Zupfinstrumente zum Beispiel klingen völlig anders als die heutigen Zupfinstrumente, und vom Zink sagte man im 17. Jahrhundert, dass er die menschliche Stimme am besten nachahmen könne. Das kann unglaublich unter die Haut gehen. Ich fühle mich in diesem Klang einfach wohl und auch in der rhythmischen und harmonischen Sprache dieser Musik. Man hat besonders im 17. Jahrhundert sehr viel Improvisationsfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten, weil vom Komponisten wenig vorgegeben ist bei Besetzung, Klangfarben, Interpretation.

Wie viel ist denn festgelegt, wenn Sie auf die Bühne gehen?

Die Struktur fixiere ich meist, damit ich einen dramatischen Bogen hineinbekomme, aber innerhalb dieser Struktur gibt es die völlige Freiheit, und die wird auch fleißig ausgenutzt. (lacht)

Die Soli klingen jeden Abend anders?

Völlig, absolut. Das ist das, was Spaß macht.

Viele Ihrer Stücke gehen in die Beine, manche Basslinien gibt es genauso im Jazz oder in der Popmusik. Liegt das an Ihren Arrangements oder meinen Sie, es hat damals wirklich so geklungen?

Wir machen keinen Crossover, auch wenn wir uns ab und zu Ausflüge erlauben. Denn manchmal bekommt man tatsächlich, wenn man einen Ausflug in eine andere Sprache macht, ein völlig anderes Bild vom Notenmaterial. Aber in den Elementen, die man nicht aufschreiben kann, gibt es Berührungspunkte zu anderen improvisatorischen Stilen. Ich glaube, dass Jazz und Pop viel aus der Alten Musik genommen haben. Gewisse harmonische oder rhythmische Floskeln, die es damals gab, gibt es heute noch immer in der lebendigen Musik. Das ist sozusagen lebendiges Barock. (lacht) Natürlich haben sich die Sprachen anderweitig entwickelt, aber man findet Berührungspunkte.

Sie machen einfach nur Alte Musik?

Vielleicht ist der Begriff Alte Musik überholt, er klingt alt und verstaubt. Inzwischen hat sich die Alte Musik zu einer eigenen musikalischen Sprache entwickelt. Es geht nicht mehr nur um die Aufführungspraxis, sondern darum, dass man mit dem alten Material wirklich gute Musik macht. Unser Spezialgebiet ist die italienische Musik des 17. Jahrhunderts, in der wir uns sehr gut auskennen. Wir bedienen uns der Ergebnisse unserer Forschungsarbeit, fühlen uns aber auch frei, dieses Gebiet manchmal zu verlassen.

Ist Ihre Musik auch deshalb so tanzbar, weil Sie keine Berührungsängste zur Volksmusik, zur „U-Musik“ des 17. Jahrhunderts haben?

Das bin nicht ich, sondern es sind die Komponisten des 17. Jahrhunderts, die sich dieses Materials bedient haben. Deshalb tun wir das auch.

Machen Sie heute noch in anderen Konstellationen Musik?

Ich habe das viel gemacht, bevor ich meine eigene Gruppe gegründet habe. Das war sehr wichtig für mich, man lernt viel von der Begegnung mit anderen Musikern und Dirigenten. Aber die Arbeit mit L’Arpeggiata nimmt mich zu 200 Prozent in Anspruch. Das einzige, was ich außerdem noch mache, ist, dass ich weiterhin Barockharfe an der Hochschule in Den Haag unterrichte. Das tue ich sehr gern.

Ist Paris ein guter Standort für Alte Musik?

Ja, es ist wunderbar, deshalb lebe ich ja dort. Das ist wirklich sehr stimulierend.

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