Startseite » Interviews » „Man spürt den Wind des Aufbruchs“

Interview Mark Rohde

„Man spürt den Wind des Aufbruchs“

Der gebürtige Hamburger Mark Rohde wird neuer Generalmusikdirektor am Mainfranken Theater.

vonSusanne Bánhidai,

Auf dem Weg zu seinen Abschiedskonzerten nach Schwerin, wo Mark Rohde fünf Jahre als Generalmusikdirektor wirkte, offenbart der Dirigent seine Sicht auf Regietheater, Führungsstil und seinen neuen Wirkungsort Würzburg.

Ein Nordlicht in Bayern. Kann das gut gehen?

Mark Rohde: Das wird auf jeden Fall gut gehen. Ich bin zwar gebürtiger Hamburger, mit acht Jahren aber nach München umgezogen, weil mein Vater als Musiker dort eine neue Stelle bekommen hatte. Dem Norden bin ich also sehr verbunden – und dem Süden ebenso. Es sind unterschiedliche, aber großartige Lebenswelten, und ich freue mich nach vielen Jahren im Norden jetzt über den Wechsel.

Stichwort Eltern, die ja beide Berufsmusiker waren: Sie haben viele Instrumente ausprobiert, sogar die Harfe soll mal dabei gewesen sein.

Rohde: Harfe war mein erstes Instrument. Weil es aber kaum Literatur für einen Fünfjährigen gab, wechselte ich zu Klavier und Geige, später kamen Gitarre und Bass in der Bigband hinzu.

Wie hat sich dann der Wunsch entwickelt, vor einem Orchester zu stehen?

Rohde: Der Perspektivwechsel wurde durch meine Professoren angeregt. Einer war Klaus Schilde, Klavierprofessor an der Hochschule in München. Uns hat es immer so eine Freude bereitet, über Orchesterfarben zu sprechen, etwa bei Beethoven-Sonaten. Zum Abschied sagte er mir, ich müsse Dirigent werden. Eine ähnliche Erfahrung hatte ich beim Violinstudium in Frankfurt. Und so probierte ich es mit dem Wechsel ins Dirigentenfach.

Sie haben schon sehr viele Stationen hinter sich gebracht, eine klassische Karriere als Kapellmeister in Mannheim, Hannover und zuletzt als GMD in Schwerin …

Rohde: … das nennt man die „Ochsen-Tour“…

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Rohde: Wir leben in einer Zeit, in der Demokratie und Teilhabe groß geschrieben werden. Dem gegenüber steht dieser althergebrachte Beruf des Dirigenten, der vor einer Gruppe steht und ihr Ansagen macht. Ich lasse bei Soli gerne Freiheiten, aber für das Orchester als Ganzes bin ich mit meiner Interpretation verantwortlich. Ich möchte dabei immer wertschätzend und ohne autoritäres Gehabe arbeiten. Die Begeisterung für die Musik und die inneren Notwendigkeiten dieser Musik versuche ich vorzuleben. Unser Beruf ist wirklich das Schönste, was ich mir überhaupt vorstellen kann.

Das Würzburger Haus befindet sich organisatorisch und bautechnisch im Umbruch. Ist das eine Herausforderung oder eher eine Chance?

Rohde: Die Würzburger sind in dem Prozess, ein Staatstheater zu werden. Diesen Wind des Aufbruchs spürt man auf gute Art. Da sich das Haupthaus noch im Bau befindet, sind wir auf die „Blaue Halle“ als Proben- und Konzertort angewiesen, eine Industriehalle, die ungefähr sechs Kilometer außerhalb liegt. Sie hat ihre Defizite, aber es gibt viel schlimmere Provisorien! Ich bin jemand, der die Dinge gerne positiv sieht. Damit das Publikum trotzdem kommt, müssen wir mit künstlerischer Qualität und tollen Stücken punkten! Und: „Variatio delectat.“

„Wir wollen gemeinsam wachsen“: Mark Rohde
„Wir wollen gemeinsam wachsen“: Mark Rohde

Sprich: Abwechslung macht Freude. Auf den ersten Blick ist aber viel Bekanntes zu finden. Was bedeutet Ihnen das klassische Repertoire?

Rohde: Wenn das Publikum da ist, kann man gemeinsam wachsen und unbekannte Werke entdecken. Da ich aber Stücke wie die siebte Sinfonie von Bruckner oder Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ selbst so liebe, wird immer wieder Populäres auf dem Spielplan stehen.

Was macht für Sie eine stimmige Regie aus?

Rohde: Unsere „Traviata” ist ein wunderbares Beispiel. Das Regieteam Olivier Tambosi, Christiane Boesiger und ich arbeiten daran, dass die Figuren das, was sie durchleben, auch bei der zwanzigsten Vorstellung noch authentisch verkörpern. Und ob die Oper dann auf dem Mond spielt oder in einem Obdachlosenasyl, ist völlig nebensächlich, wenn die Geschichte toll erzählt wird.

Personenregie ist Ihnen wichtig. Was halten Sie vom modernen Regietheater? 

Rohde: Es gibt da leider viele Ansätze, die nicht zur Musik passen, dabei erzählt sie ja ohnehin schon ganz viel. Ich bezweifle, dass man drei Videoprojektionen gleichzeitig braucht, um etwas auf der Bühne zu verdeutlichen. Ein überbordendes Konzept kann verhindern, dass Musik und Geschichte ihren Zauber entfalten können.

Angst vor dem Neuen kann man Ihnen allerdings nicht vorwerfen, Sie waren schon an vielen Uraufführungen beteiligt. Auch in der kommenden Spielzeit steht eine Ausgrabung auf dem Programm …

Rohde: Winfried Zillig, ein gebürtiger Würzburger, war einer der wichtigsten Schüler von Arnold Schönberg. Seine Oper „Rosse“, die im Mai 2026 Premiere hat, wird jetzt zum dritten Mal überhaupt aufgeführt. Es geht um die Industrialisierung, beziehungsweise darum, dass Pferde und ihre Roßknechte durch Maschinen ersetzt werden – im Zeitalter der KI ein hochaktueller Stoff.

Und ein ganz regionaler noch dazu …

Rohde: Die Würdigung von Zillig ist nicht ganz unproblematisch, weil er in der Zeit des Nationalsozialismus offizielle Ämter bekleidet hat. Andererseits war er auch nach dem Krieg noch im engen Kreis von Arnold Schönberg. Man muss die Personalie differenziert betrachten. Daher wird es auch ein Symposium geben, das das Thema aufarbeitet.

Was für einen Kontakt wünschen Sie sich zum Publikum?

Rohde: Ich würde mich darüber freuen, wenn die Menschen sagen: Wir werden mitgenommen, und das Orchester musiziert mitreißend! Wenn das mit guten Auslastungszahlen einhergeht, weiß ich, dass ich etwas richtig gemacht habe.

Moderieren Sie auch?

Rohde: Fast immer. Die direkte Ansprache an das Publikum holt die Menschen mit ins Boot. Auch die Schul- und Familienkonzerte sind mir wichtig. Ich bin auch gerade dabei, die Kooperation mit der Musikhochschule zu intensivieren.

Das ist ja ein ganz klassisches Bekenntnis zum Theater in der Stadt, während europaweit gerade eine sehr junge Dirigentengeneration heranwächst, die schnell vor internationalen Orchestern steht. Wie sehen Sie das?

Rohde: Dirigieren bedeutet nicht, sich vor das Orchester zu stellen und dabei gut auszusehen. Es hat viel mit Handwerk und Erfahrung zu tun, auch mit Lebenserfahrung. Ich sehe bei vielen Talenten die Gefahr, dass die Karriere zu früh beginnt. Es sind tolle Begabungen darunter, aber auch die brauchen Zeit, um zu reifen.

Wie verlockend ist für Sie selbst der Ruhm?

Rohde: Die berühmten Kollegen führen ein Leben zwischen Hotelzimmer, Konzertsaal und Flugzeug. Ich bin mir sicher, dass darunter die Lebensqualität leidet. Wenn man an einem Haus ein paar Jahre bleibt, können Beziehungen entstehen. Auch für ein Leben außerhalb des Theaters muss Zeit bleiben.

Und wo findet man Sie außerhalb der Musik?

Rohde: Zum Beispiel in der Küche.

Ein heimlicher Plan B?

Rohde: Nein, der Berufsalltag eines Kochs bietet ja noch schlimmere Arbeitszeiten als das Theater! Es ist ein schönes Hobby. Ich bin zum Beispiel ein großer Fan von Espresso, habe auch mal selbst Bohnen geröstet. Das Leben hat so viele Genüsse zu bieten.

Termine

Auch interessant

Rezensionen

Anzeige

Video der Woche

Preisträger live erleben!

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von ARDMediathek. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Die drei Gewinner und Gewinnerinnen des Wettbewerbs präsentieren sich gemeinsam mit dem Symphonieorchester des BR unter Sasha Scolnik-Brower. Erleben Sie Liya Wang, Robin Paillet und Elad Navon mit Werken von Saint-Saëns, Zimmermann und Copland. Liveaufzeichnung aus dem Herkulessaal der Residenz München am 19.09.2025.

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!