Porträt Julian Prégardien

Tenor im Wolljanker

Als Sohn eines berühmten Sängers hat man es leicht, könnte man meinen. Doch Julian Prégardien macht es sich schwer, und das mit Absicht und aus gutem Grund

© Marco Borggreve

Julian Prégardien

Julian Prégardien

„Ja mein Gott, dann bin ich halt ein Freak! Aber wenigstens mache ich das, woran ich glaube!“ Dass ein Gespräch mit Julian Prégardien bei Kaninchen und Wein durchaus dramatische Züge annehmen kann, würde man nicht denken, wenn man den Tenor zum ersten Mal trifft. In sich ruhend wirkt der mehrfache Familienvater, bodenständig in seinem Wolljanker, so gar nicht wie ein allürenbehafteter Klischee- Tenor. So ruhig er jedoch auf den ersten Eindruck erscheinen mag – wenn es um seine Musik geht, kennt Prégardien keine Kompromisse, da wird er (nicht nur auf der Bühne) schon mal laut.

Verwechslungsgefahr mit Vater Christoph

Sicherlich liegt dies darin begründet, dass sich Prégardien wie kaum ein anderer Sänger damit auseinandersetzen muss, der Sohn eines berühmten Vaters zu sein. Nicht nur die Stimmlage (lyrischer Tenor) und das Timbre teilt er mit seinem Vater Christoph, auch die Liebe zum Kunstlied ist beiden gemein. Da werden im Programmheft regelmäßig die Namen der beiden verwechselt, sogar gelegentlich Stimmen laut, die von protegiertem Trittbrettfahrertum sprechen, die den jungen nur als Kopie des alten Prégardien verkaufen wollen. „Dass das der Sinn und Zweck meines Daseins sein soll, wage ich doch mal zu bezweifeln!“, kontert der Sänger und erzählt von seinem Lebensweg, der entgegen der allgemeinen Erwartungshaltung eben nicht geradlinig war.

© Marco Borggreve

Julian Prégardien

Julian Prégardien

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Geboren 1984 in Frankfurt, wurde Julian Prégardien bereits früh Mitglied der Limburger Dommusik und erhielt dort seine erste Gesangsausbildung. Durch den Stimmbruch kam die wichtige Wendung: „Ich habe keinen Ton gesungen, sondern vier Jahre lang lieber Basketball gespielt und alles gemacht, was nicht das Geringste mit klassischer Musik zu tun hatte.“ Die Rückkehr zum Gesang mit Studium in Freiburg und anschließendem Festengagement an der Oper Frankfurt wurde für Prégardien begleitet von der Erkenntnis, dass ihm eines fehlte: das Gemeinschaftserlebnis des Musizierens. Wahrscheinlich erlebt man den Sänger deshalb auch weniger als Solitär mit Klavierbegleitung, sondern meist als Teil einer Gruppe – im Ensemble auf den internationalen Opernbühnen oder in den unterschiedlichsten kammermusikalischen Besetzungen fühlt er sich am wohlsten: „Beim Musizieren ist mir wichtig, dass man das wirklich gemeinsam tut – und zwar auch gemeinsam mit dem Publikum. Das ist etwas Gesamtgesellschaftliches: dass man sein Gegenüber wahrnimmt und auch von ihm wahrgenommen wird.“

Konzerte mit genau durchdachter Dramaturgie

Dem Publikum zu zeigen, dass es jenseits des klassischen Frontal-Liederabends noch mehr gibt, ist Prégardiens Zukunftsziel. Schon jetzt gilt er als stark dramaturgisch orientierter Sänger, der seine Projekte gerne mit Quellenstudium unterfüttert, Liederzyklen ganz „schubertiadisch“ mit anderen zeitgenössischen Genres verbindet und zugleich moderne Musik mit in die Kombination einbezieht. Mit seinem Editionsprojekt „P.HRÉI“, welches das Motto „Alles bewegt sich fort und nichts bleibt“ trägt, setzt er Klassiker wie Schuberts Winterreise in neues Licht und überraschenden Kontext. Auch Prégardien bewegt sich stets fort, Stillstand künstlerischer Art kommt für ihn nicht in Frage. Begründet sieht er dieses Streben dann doch in seiner Herkunft: „Jemand, der in dieses Genre reingeboren wird, ist von Natur aus privilegiert. Dem Privileg möchte ich damit begegnen, dass ich besondere Verantwortung übernehme für die Darstellung des Genres, für die Zukunft, für die kulturelle Arbeit im Allgemeinen. Dass ich es mir nicht einfach mache, sondern schwer!“ Ob man Julian Prégardien dafür als Freak bezeichnen möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Termine

Samstag, 10.06.2023 17:00 Uhr Konzerthalle Ulrichskirche Halle (Saale)
Mittwoch, 21.06.2023 18:30 Uhr Hauptkirche St. Michaelis Hamburg

Matthäus-Passion

Hamburger Ballett-Tage
Donnerstag, 22.06.2023 18:30 Uhr Hauptkirche St. Michaelis Hamburg

Matthäus-Passion

Hamburger Ballett-Tage
Mittwoch, 05.07.2023 20:00 Uhr Piano Salon Christophori
Sonntag, 09.07.2023 17:00 Uhr Schloss Ettersburg

Schubert: Die schöne Müllerin op. 25

Julian Prégardien (Tenor), Daniel Heide (Klavier)

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  • Montag, 31.07.2023 19:00 Uhr Felsenreitschule Salzburg
    Mittwoch, 02.08.2023 19:00 Uhr Felsenreitschule Salzburg
    Freitag, 15.12.2023 20:00 Uhr Konzerthaus Dortmund

    Dorothee Mields, Alexander Chance, Julian Prégardien, Manuel Walser, Zürcher …

    J. S. Bach: Orchestersuite Nr. 4 D-Dur BWV 1069, Gelobet seist du Jesu Christ BWV 91 & Unser Mund sei voll Lachens BWV 110, Praetorius: Angelus ad pastores ait & Ecce Dominus veniet

    Mittwoch, 26.06.2024 20:00 Uhr Elbphilharmonie Hamburg

    Rezensionen

    Rezension Julian Prégardien – J. S. Bach: Matthäus-Passion

    Gleichberechtigt im Dialog

    Mit Julian Prégardien als Evangelist an der Spitze der Solistengruppe präsentiert Dirigent Raphaël Pichon eine hochwertige „Matthäus-Passion“ mit starker innerer Geschlossenheit. weiter

    Rezension Howard Arman – Mozart: Requiem

    Klarheit und Kühle

    Howard Arman erschafft eine sterile, fast jeder Spiritualität bare und interessante Strukturskizze basierend auf Mozarts „Requiem“ mit exzellenten Chorleistungen. weiter

    CD-Rezension Howard Arman – Mendelssohn-Psalmen

    Sakrale Hörmomente

    Statt extrovertiertem Schwelgen hört man geradlinige Innigkeit in einer bestechend klaren Interpretation, die auf romantischen Gefühlsüberschwang verzichtet weiter

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