Das Goethe-Theater Bad Lauchstädt ist nicht nur eine schmuck herausgeputzte architektonische Perle südlich von Halle, in der sich eingeladene Gastspieltruppen einfinden. Hier hat man durchaus eigenen Theater- und Opernehrgeiz. Als Dependance der Händel-Festspiele, als Ort für Edda Mosers Festspiel der Deutschen Sprache und auch sonst.
Mozarts „Titus“ und Goethes Bad Lauchstädt – das hat etwas von „alte Liebe rostet nicht“. Schon der Weimarer Dichterfürst selbst hat sein Theater vor den Toren Halles 1802 mit Mozarts Huldigungsoper an den gütigen Herrscher schlechthin eröffnet. Das war der Auftakt für sein – wenn man so will – Welttheater auf dem Dorfe. Zum 200-Jahre-Jubiläum des Hauses schob sich „La clemenza di Tito“, wie das im Todesjahr Mozarts 1791 uraufgeführte italienische Original heißt, damit quasi von selbst auf den Spielplan. Pat Halmen hatte dafür in seiner Inszenierung pragmatisch deutsch gesungene Rezitative mit italienischen Arien kombiniert.
Geborgene Archivschätze
Die aktuelle Neuinszenierung heißt nicht nur „Titus“, sondern hat auch in den Arien die deutsche Textfassung zur Grundlage, die Goethes Schwager Christian August Vulpius1799 für das Weimarer Hoftheater geschaffen hat. Auf diesem, im Landesmusikarchiv Weimar schlummernden Manuskript basiert die Version von Dramaturgin Ilsedore Reinsberg, die jetzt Premiere hatte und den Sommerspielplan des Hauses mit insgesamt zwei Vorstellungen ziert.

Theater- (und Stiftungschef) René Schmidt bewährt sich dabei wieder einmal als Amtsnachfolger Goethes. Er führt zusammen, was nicht nur theoretisch zusammengehört, sondern auch praktisch zusammenpasst. Die Musiker der Staatskapelle werden von dem ihnen vertrauten Dirigenten Michael Hofstetter höchst versiert und temperamentvoll geleitet. Der Cantus Thuringia übernimmt den neunköpfigen Chorpart. Der Clou ist die Kombination des halben Dutzend singender Protagonisten mit entsprechenden Puppen-Alteregos. Christoph Werners Truppe ist in Halle eh eng mit dem Musiktheater verbunden.
Wo die Puppen um den Titus tanzen
Nur Aco Bišćević steht allein für sich als dieser erfundene, supergütige Titus auf der Bühne und kann die Bosheit der Welt um ihn herum nicht fassen. Die anderen haben alle ein Puppen-Double, das Atif Hussein etwas kleiner als die menschlichen Originale als Ganzkörperpuppen gebaut hat. Angela Baumgart hat den Puppen die gleichen Kostüme verpasst wie den singenden Protagonisten – auch die Gesichter sind gut erkennbar getroffen. Dabei übernehmen die Puppenspieler (Ulrike Langenbein, Luise Friederike Hennig, Sebastian Fortak, Nils Dreschke) nicht nur die durch ihren schwarzen Ganzkörperdress quasi unsichtbare Führung der Puppen, sondern auch die gesprochenen Texte.

Eine Arbeitsteilung, die das mitunter etwas arge Zeitgeistpathos gut konsumierbar macht und obendrein sogar einen gestischen Dialog mit sich selbst erlaubt. Regisseur Ralf Meyer hat diese Methode maßvoll durchdekliniert, dazu kommt der Charme der Prospektbühne, die die Verwandlung der Schauplätze im Handumdrehen erlaubt.
Zwischen Staatsaktion und Menschlichkeit
Komponiert hat Mozart das Werk zur Feier der Krönung des mit Hoffnung erwarteten und gescheiterten Reformkaisers Leopold II. als Opera seria. Sie changiert zwischen Staatsaktion (Attentat auf den Kaiser) und einer menschlichen Dimension zwischen Tragik (beim Attentäter) und Größe (beim Kaiser).
Die von Titus aus politischem Kalkül verschmähte Braut Vitellia (Olena Tokar gibt mit maßvoller Verve die Kanaille im Stück) bringt den in sie verliebten Titus-Freund Sextus (als Hosenrolle Mezzosopranistin: Vero Miller) dazu, gegen seinen Willen und seine Neigung, einen Mordanschlag auf Titus zu verüben.
Güte, nicht von dieser Welt
Dieser Kaiser kann nicht mal seine ursprünglich Auserwählte heiraten, weil sie keine Einheimische ist. Mit seiner zweiten Wahl hat er auch kein Glück. Denn die Schwester seines Busenfreundes Sextus Servilia (mit jugendlichem Charme: Anna Herbst) ist schon in ihren Annius (Maria Hegele) verliebt. Weil er es sich nicht traut, gesteht sie dem Kaiser ihre Liebe zu Annius. So wie dieser Herrscher gestrickt ist, verzichtet der natürlich und entscheidet sich jetzt doch für die Römerin Vitellia. Deren Putsch- und Attentatsplan läuft aber schon, als sie die Nachricht erreicht.

Handy hat noch keiner, also brennt das Kapitol schon und sie kann auch Sextus nicht mehr stoppen. Auch der gut informierte Publius (Michael Zehe) kann da nichts machen. Der Kaiser entkommt dem Attentat nur per Zufall. Dass er jetzt wohl oder übel den noch dazu geständigen Sextus zum Tode verurteilen muss, ist für ihn eine Niederlage. Erst das öffentliche Geständnis Vitellias, dass sie hinter dem Attentat steckt, erlaubt die Wendung in ein lieto fine, bei dem der Kaiser noch mal alle mit seiner unerschütterlichen Güte, die weder damals noch heute von dieser Welt ist, beschämen kann.
Goethe-Theater Bad Lauchstädt
Mozart: Titus
Michael Hofstetter (Leitung), Ralf Meyer (Regie), Angela Baumgart (Bühne), Ilsedore Reinsberg (Dramaturgie & Textfassung), Atif Hussein (Puppen), Aco Bišćević, Olena Tokar, Anna Herbst, Vero Miller, Maria Hegele, Michael Zehe, Puppentheater Halle, Cantus Thuringia, Staatskapelle Halle
Termintipp
Sa., 30. August 2025 15:00 Uhr
Musiktheater
Mozart: La clemenza di Tito
Aco Bišćević (Titus), Olena Tokar (Vitellia), Anna Herbst (Servilia), Vero Miller (Sesto), Maria Hegele (Annio), Michael Zehe (Publio), Puppentheater Halle, Cantus Thuringia, Staatskapelle Halle, Michael Hofstetter (Leitung), Ralf Meyer (Regie)
Termintipp
Fr., 03. Oktober 2025 15:00 Uhr
Musiktheater
Mozart: La clemenza di Tito
Aco Bišćević (Titus), Olena Tokar (Vitellia), Anna Herbst (Servilia), Vero Miller (Sesto), Maria Hegele (Annio), Michael Zehe (Publio), Puppentheater Halle, Cantus Thuringia, Staatskapelle Halle, Michael Hofstetter (Leitung), Ralf Meyer (Regie)