Am Ende siegte dann doch die Bratsche. Schon in ganz frühen Jahren probierte sich Adrien La Marca zunächst am Klavier, später an der Geige. Doch als er Schumanns Klavierquintett hörte, war ihm klar, dass die Viola sein Instrument werden sollte. Da ist er gerade einmal sieben Jahre alt. Überzeugt habe ihn vor allem der Klang des Instruments, erklärt er: „Ich wurde von den tieferen Frequenzen quasi angezogen.“ Seine Ausbildung beginnt er am Konservatorium seiner Heimatstadt Aix-en-Provence. Dort bekommt er nicht nur Bratschen-, sondern auch Klavierunterricht.
Mit sechzehn Jahren wird La Marca in die Bratschenklasse von Jean Sulem am Pariser Konservatorium aufgenommen und zieht dafür in die französische Hauptstadt. Zur Verzweiflung seines ehemaligen Klavierlehrers konzentriert er sich dort ganz auf die Bratsche, entscheidet sich aber, das Tasteninstrument als Nebenfach bei Zhu Xiao-Mei weiter zu studieren. „Ich kannte sie vorher nicht, war aber völlig fasziniert von ihr“, sagt er über die chinesische Pianistin. „Sie wusste, dass ich kein Pianist werden möchte, und hat mir dennoch musikalisch sehr viel mitgegeben.“ Bis heute hat er seine Liebe zu dem Instrument nicht verloren und spielt es, wann immer er kann. Anschließend ging er nach Leipzig und studierte dort zunächst bei Tatjana Masurenko und später bei Tabea Zimmermann in Berlin.
Früher haben vor allem „schlechte Geiger“ die Bratsche gespielt
Viele verschiedene Einflüsse, die da auf den jungen Musiker eingeprasselt sind. Dazu sagt der 32-Jährige: „Ich habe auf dem Weg das mitgenommen, von dem ich dachte, dass es mir in meiner musikalischen Entwicklung fehlt, und habe mich dann wie eine Pflanze davon ernährt und bin gewachsen.“ Sein Erfolg gipfelte 2014 in der Ernennung zum Nachwuchskünstler des Jahres bei den Victoires de la Musique. Ein Erfolg für den Bratscher, aber auch für sein Instrument, das im Vergleich zur Violine lange Zeit als unbedeutend galt. Darüber ist sich Adrien La Marca durchaus bewusst. Erst seit wenigen Jahrzehnten gibt es Violaklassen an den Konservatorien, so dass auch die Solisten immer besser werden und ihr Instrument entsprechend vertreten können.
„Früher hatte man einfach schlechte Geiger, die Viola gespielt haben, was es natürlich nicht besser gemacht hat, denn die Bratsche ist mitnichten ein leichteres Instrument als die Geige“, erklärt der Musiker. Erst mit Pionieren wie William Primrose kam im 20. Jahrhundert der Wandel. „Er war ein unglaublicher Geiger, der sich vermutlich genau wie ich in den Klang des Instruments verliebt hat und ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen wollte.“ Zahlreiche Werke wurden daraufhin wiederentdeckt und noch mehr neue in Auftrag gegeben. Heute hat es die Bratsche erfolgreich in die Konzertsäle weltweit geschafft und lebt mit Musikern wie Adrien La Marca weiter. „Es ist weiterhin ein Prozess“, gesteht er. „Ich hätte auch ein anderes Instrument wie Klavier spielen können. Ich liebe die Viola aber einfach und möchte, dass sie meine Stimme ist.“
250 Jahre alte Stimme
Seine Stimme ist übrigens fast 250 Jahre alt: La Marca spielt ein Instrument von Nicola Bergonzi aus dem Jahr 1780. Ein Jahr habe es gedauert, bis sich Viola und Musiker aneinander gewöhnt haben. „Sie ist wie ein wildes Tier. Ein wunderschönes, aber auch ein kapriziöses“, lacht er. „Jetzt, wo wir uns gut verstehen, bin ich sehr dankbar, sie spielen zu dürfen.“ Mit ihr steht er mit Künstlern wie Renaud Capuçon, Daniel Hope oder aktuell Danae Dörken auf der Bühne. Trotz des eigenen Erfolgs gibt es noch immer Musiker, die das Herz von Adrien La Marca höherschlagen lassen. Eine von ihnen ist seine ehemalige Lehrerin und Mentorin Tabea Zimmermann. Auf sie angesprochen gerät er regelrecht ins Schwärmen. Nie habe sie versucht, ihn zu formen, sondern ihm immer unterstützend zur Seite gestanden. Auch ihre Karriere sieht er als Vorbild: „Sie ist sehr selbstbestimmt, hat einen starken Willen und hält an ihren Werten fest. Ich kann mir niemand Größeren vorstellen als Tabea – außer vielleicht Isaac Stern!“
Neben seiner Karriere als Solist hat Adrien La Marca gemeinsam mit seinem Bruder, dem Cellisten Christian-Pierre La Marca, die künstlerische Leitung des Festival du Forez inne. Eigentlich als Projekt von ihrem Vater Joseph La Marca ins Leben gerufen, haben die Brüder die Verantwortung dafür übernommen, als dieser 2013 kurz vor der ersten Ausgabe des Festivals plötzlich verstarb. Das war am Anfang gar nicht so leicht: „Wir haben mit zwei Konzerten an einem Wochenende angefangen. Dann wurden es vier, dann acht, und nun, fast zehn Jahre später, haben wir an achtzehn Festivaltagen mit fünfzig Künstlern musiziert.“ Das Beste an der Arbeit ist es, seine Freunde einzuladen und mit ihnen gemeinsam Musik zu machen, sagt La Marca. Sie habe ihn aber auch für seine eigenen Konzerte sensibilisiert. „Ich kann schnell feststellen, ob die Konzerte gut organisiert wurden oder nicht. Aber weil ich weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt, kann ich niemandem böse sein, wenn mal etwas fehlt.“ Und wie ist es, mit dem eigenen Bruder zusammenzuarbeiten? „Gut!“ Dann fügt er lachend hinzu: „Aber manchmal einigen wir uns darauf, uneinig zu sein.“