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Porträt Mirijam Contzen

Alles braucht seine Zeit

Dieses Motto machte sich Mirijam Contzen zu eigen, die schon als Kleinkind die Geige erlernte. Eine Weisheit, die ihren Weg zur Künstlerin ebnete

vonUlrike Henningsen,

Schon im Alter von zwei Jahren nahm Mirijam Contzen immer wieder eine Geige in die Hände. Die Mutter übte als Berufsmusikerin viel, und die Tochter ahmte spielerisch nach, was sie täglich zu Hause sah und hörte. Mit dreieinhalb bekam sie richtigen Violinunterricht, und als Siebenjährige spielte die gebürtige Münsteranerin bereits Violinkonzerte von Mozart. Bei ihrem Orchesterdebüt beeindruckte sie den berühmten Geiger Tibor Varga so sehr, dass dieser das junge Mädchen fortan unterrichten wollte.

Der ungarische Violin-Pädagoge hat ihr Leben entscheidend beeinflusst. Ihm ist es auch zu verdanken, dass ihre früh zu erkennende außergewöhnliche Begabung in Ruhe reifen konnte. Bei Musikern entwickeln sich während der Kindheit und Jugend technische Fähigkeiten und menschliche Reife phasenweise und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Um beides auf gleichem Niveau zu verbinden, brauchen Musiker Zeit. Die gab Varga seinen Schülern.

Auch ihre Musikauffassung ist geprägt von ihrem langjährigen Lehrer: „Nur wegen der Musik spielen wir Geige und nicht der Geige wegen“ – das war einer von Vargas Leitgedanken. Angeregt durch diese Haltung, hat sich die Deutsch- Japanerin schon in jungen Jahren ernsthaft mit dem musikalischen Gehalt jedes Stücks auseinandergesetzt. Der Violinistin war es immer wichtig, sich neben dem täglichen Üben und dem Erarbeiten des Notentexts auch mit der Entstehungsgeschichte eines Werks zu befassen. Diese intensive Beschäftigung ist ein lebenslanger Prozess, in dem sich die Stücke verändern. „Die Suche hört nicht auf, sondern wird immer intensiver, so als würde man das Mikroskop immer feiner einstellen“, beschreibt es Mirijam Contzen heute.

Aufsaugen, wie die Kollegen musizieren

Mirijam Contzen

Mit sechzehn Jahren gewann die Geigerin den „Internationalen Violin-Wettbewerb Tibor Varga“. Es war der Durchbruch zu einer internationalen Karriere. Inzwischen ist sie zu einer Künstlerin herangereift, die neben den großen Werken eine Vorliebe für unbekanntere Kompositionen hat: „Dann wieder zurückzukommen zu Mozart oder Vivaldi, lässt die Werke in einem ganz neuen Kontext erscheinen und gibt frische Ideen.“

2005 gründete sie im Alter von 29 Jahren mit einem Schulfreund auf Schloss Cappenberg am südlichen Rand des Münsterlands ein Musikfestival. Jährlich plant sie seitdem ein Kammermusik-programm und lädt Kollegen zum gemeinsamen Musizieren ein. Die vielen Begegnungen und die intensive Arbeit inspiriert die Künstlerin sehr: „Wenn ich Kammermusik mache, sauge ich auf, was die anderen machen und von sich weitergeben. Aus jeder musikalischen Begegnung nehme ich etwas mit.“

Zum Wintersemester ist Contzen als Professorin an die Universität der Künste in Berlin berufen worden. In der Arbeit mit den Studierenden bewahrheitet sich für die 1976 geborene Geigerin heute mehr denn je, wie wichtig die Haltung war, die ihr Lehrer seinen Schülern vorgelebt hatte. Wie Varga selbst, versucht Mirijam Contzen ihren Studierenden zu vermitteln, dass sie sich dafür Zeit nehmen müssen. Und dürfen.

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