Komponisten und ihre Erwerbstätigkeit

An der Quelle der Musik

Beethoven konnte als erster freischaffender Tondichter von seiner Musik leben. Wie kommen Komponisten heutzutage über die Runden?

© Manu Theobald

„In der Kunst ist Autonomie ein wirklich hohes Gut“: Komponistin Isabel Mundry

„In der Kunst ist Autonomie ein wirklich hohes Gut“: Komponistin Isabel Mundry

„Empfiehl deinen Kindern Tugend; sie allein, nicht Geld, kann sie glücklich machen. Ich spreche aus Erfahrung.“ Als Komponist mit einer auffälligen Rechenschwäche wusste Beethoven nur zu gut, dass der schnöde Mammon einem viel Kopfzerbrechen bereiten kann. Besonders, wenn er fehlt. Ein Umstand, mit dem sich Komponisten seit jeher ebenso arrangieren mussten wie mit der Tatsache, dass ihre Auftraggeber ihnen bezüglich der musikalischen Gestaltung der bestellten Werke Vorgaben machten, worüber Ludwig van Beethoven nicht selten in Rage geriet.

An der Schwelle von der ­höfisch-adeligen zur bürgerlichen Musikkultur ist der in Bonn gebürtige Wiener Klassiker das erste prominente Beispiel eines Komponisten, der als freischaffender Künstler von seiner Musik leben konnte. Damit liefert Beethoven die Blaupause für die Vorstellung einer unabhängigen Kunstausübung. Wie aber hat sich das Berufsfeld des Komponisten seit Beethovens Zeit verändert? Wer kann heutzutage vom Komponieren leben und dabei seine künstlerische Autonomie wahren? Und wie wird man überhaupt Komponist?

„Und nach dem Studium ist man plötzlich Komponist“

Die Tätigkeit des Komponierens wird oft mehr als Berufung denn als Beruf eingestuft – auch von jungen Musikern selbst. Moritz Eggert, der dieses Jahr als Nachfolger von Enjott Schneider zum Präsidenten des Deutschen Komponistenverbands gewählt wurde, erinnert sich, wie er als 15-Jähriger für seine Schulband und später als Klavierschüler am Konservatorium in Frankfurt seine ersten Stücke schrieb: „In meinem Umkreis haben alle komponiert, aber eher hobby­mäßig. Das war nichts Besonderes. Aber mit der Zeit wurde die Sache immer ernster, und ich habe Leute kennengelernt, die das auch beruflich machen. Das hat mich sehr beeindruckt.“ Der gebürtige Heidelberger setzte seine Ausbildung an den Musikhochschulen in Frankfurt und München fort, fand Mentoren, die ihn unterstützten, und: „Plötzlich hat man sein Studium beendet und ist Komponist und merkt, dass man von seiner freischaffenden Arbeit auch leben kann.“

So rund wie bei Eggert, der mit 55 Jahren auf eine Œuvre von mehr als 275 Werken schaut, läuft es selten. „Fast niemand lebt ausschließlich vom Komponieren“, erklärt die mit vielen Preisen dekorierte Komponistin Isabel Mundry, die als Professorin an der Zürcher Hochschule der Künste und an der Hochschule für Musik und Theater München Komposition unterrichtet. „Ich habe viele sehr erfolgreiche Kolleginnen und Kollegen, die ihr Geld mit dem Unterrichten, nicht mit dem Komponieren verdienen. Wenn man auf die Arbeitszeit bezogen vergleicht, was der Dirigent und was der Komponist eines Stückes verdienen, kann man nur von einer ungerechten Bezahlung reden.“

© gemeinfrei

Von der Muse geküsst, vom Mammon getriezt: Ludwig van Beethoven

Von der Muse geküsst, vom Mammon getriezt: Ludwig van Beethoven

Denn zum Komponieren gehört neben Fleiß auch Inspiration, das „In-sich-Hineinhören“, wie Eggert es nennt: „Und das braucht Zeit. Oft sehe ich, wie junge Komponisten zwei Takte komponieren und sie gleich auf Instagram posten. Wenn Beethoven so gearbeitet hätte, hätte er kaum mehr als eine Sonate zustande gebracht.“

„Man arbeitet wie verrückt, und dann verpufft es einfach“

Bekanntlich brachte dieser ganze 32 Sonaten und neun Sinfonien zu Papier, wobei die monatliche finanzielle Unterstützung seiner adeligen Gönner und Bewunderer ihm ein selbst­bestimmtes Arbeiten ermöglichte. Beethoven war auch sein eigener Veranstalter, aber die größte Einnahmequelle verdankte er dem expan­dierenden Verlagswesen, wobei er die Verleger mit Mehr­fachangeboten oft geschickt gegen­einander ausspielte.

Auch heutige Komponisten verdienen neben Auftrags­honoraren am Verkauf ihrer gedruckten Werke im Musikalienhandel und den Aufführungstantiemen. Darüber hinaus bilden die jährlichen Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft GEMA einen wichtigen Bestandteil des Einkommens – besonders, wenn Werke häufiger aufgeführt, auf Tonträger angeboten und im Radio gespielt werden. Aber gerade an Zweit- und Dritt­aufführungen hapert es, da Veranstalter sich gerne mit Uraufführungen schmücken. „Es ist wirklich ein Missstand, dass es in den Opernhäusern ständig tolle Uraufführungen von neuen Werken gibt, die auch sehr erfolgreich sind und trotzdem vom Spielplan verschwinden“, ärgert sich Eggert. „Ich frage mich oft, warum ich überhaupt Opern schreibe. Man arbeitet wie verrückt, und dann verpufft es einfach.“

Die Frauenquote ist niedrig

Wettbewerbe und Förderungen für Komponisten gibt es viele. Für die Jüngsten veranstaltet der Verein „Jeunesses Musicales Deutschland“ seit 1986 in der Musikakademie Schloss Weikersheim den Bundeswettbewerb „Jugend komponiert“ für Teilnehmer zwischen 12 und 22 Jahren. Nach dem Studium winken Aufenthaltsstipendien, etwa im Künstlerhof Schreyahn oder in der Villa Massimo. Auffällig ist aber nach wie vor der geringe Anteil an weiblichen Studierenden im Fach Komposition – zumindest im deutschsprachigen Raum. „In den Geschichtsbüchern fehlen einfach die Komponistinnen“, erklärt Mundry, der man früher oft geraten hat, Schulmusik zu studieren anstatt ihren künstlerischen Ambitionen zu folgen. So müssten Frauen viel mehr Mut aufbringen als Männer, um „in den dunklen Raum einzutreten, ohne zu wissen, ob man sich darin zurechtfindet und am Ende etwas dabei herauskommt.“ Gemeint ist das Abenteuer des Komponierens. Doch immer mehr Frauen seien bereit, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, beobachtet Isabel Mundry. Sie selbst ist das beste Beispiel dafür.

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