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Festival „Reflektor“ in Hamburg – André Heller

Von Jazz-Standards und Sufi-Gesängen bis zum finnischen Männer-Schrei-Chor

Zu seinem 77. Geburtstag kuratiert der österreichische Multimedia- und Aktionskünstler André Heller das einwöchige „Reflektor-Festival“ in der Elbphilharmonie.

vonChristian Schmidt,

Was vor 100 Jahren noch gang und gäbe war, muss man heute mit der Lupe suchen: echte Universalkünstler, die sich auf vielen verschiedenen Gebieten zumindest ausprobieren, wenn auch nicht überall beweisen. Zwischen Gartenkunst und schwimmenden Skulpturen, experimentellen Filmen und skurrilen Shows hat sich der Österreicher André Heller umgetan, Museen erbaut und Feuerspektakel inszeniert, gesungen und gespielt, zuletzt seinen einst in Hamburg eröffneten Kunstvergnügungspark nach Los Angeles verfrachtet – allerdings nur zum Angucken, nicht zum Erleben.

Man sieht es ihm nicht an, aber im März wird Heller immerhin schon 77 und hat trotzdem noch ganz viel vor. Seinen Geburtstag feiert der Multimedia­künstler eine reichliche Woche lang mit seinem „Reflektor-Festival“ an und in der Elbphilharmonie. Der Schauwert des prominenten Kunsttempels wird in den grau-stürmischen Märztagen schon äußerlich noch einmal wesentlich erhöht, denn Heller lässt das Musenhaus mit einer spektakulären Lichtinszenierung erstrahlen. Projektionen für die Foyers steuert die Malerin und Bühnenbildnerin Xenia Hausner bei, die wie Heller aus Wien stammt.

Den Leitsatz des Festivals liefert dabei der philosophische Komiker Karl Valentin: „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ – die Introduktion der „Reflektoren“ bieten, ausgehend von Franz Schuberts „Winterreise“, der Philosoph Peter Sloterdijk und der Bariton Florian Boesch, die sich über das Gefühl des Fremdseins austauschen sollen. André Heller, zeitlebens ein Künstler mit politischem Bewusstsein, hätte sich kaum ein aktuelleres Thema für sein Festival suchen können.

Maximale Vielfalt beim Reflektor-Festival

Nicht überraschend vielseitig ist denn auch das musikalische Programm, das im Überall zwischen Jazz, Folklore, Synagogal-Gesängen und Weltmusik wohl fast die ganze Menschheit umspannen will. Es bietet maximale Vielfalt zwischen einer bulgarischen A-cappella-Band und pakistanischen Sufi-Sängern, marokkanischen Gnawa-Klängen und dadaistisch vor sich hin schreienden finnischen Choristen, die Gesetzestexte vertont haben, zwischen der gefeierten Starsopranistin Camilla Nylund und der beninisch-französischen Songwriterin Angélique Kidjo, die 2020 ihren fünften Grammy gewann. Maria Callas wird zu ihrem 100. Geburtstag mit einem Gastspiel des Wiener Volkstheaters geehrt.

Eine Herzensangelegenheit, so heißt es, ist für Heller indes die Jewish Music Night mit drei Vokalensembles, die sich der Bewahrung von jüdischen Gesangstraditionen widmen. Gewürdigt wird aber ebenso das faszinierende kulturelle Erbe afrikanischer Gospels, mauretanischer Folklore oder der Roma-Musik. Nebenan läuft Hellers Filmreihe „Menschenkinder“ mit unterschiedlichsten Porträts in den Kaistudios. Die Kehrseite all dieser Verlockungen ist nur: Wer das alles auf sich einprasseln lassen will, muss hinterher eine Woche Urlaub an einem stillen See machen.

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