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Bach-Wochen an St. Michaelis Hamburg 2022

Seine Musik reist um die Welt – er selbst tat es nicht

Unter dem Motto „Bach und England“ eröffnen die Bach-Wochen an St. Michaelis einen ebenso spannenden wie spannungsreichen Dialog.

vonMaximilian Theiss,

Im Michel wird’s einfach nicht ruhig. Womit in diesem Fall nicht jene Müll hinterlassenden und ihre Notdurft verrichtenden Feierwütigen auf der Michelwiese gemeint sind, die in diesem Sommer wieder für regen Unmut unter Anwohnern und Passanten sorgten. Nein, es ist die Fülle des Wohlklangs gemeint, die nach viel zu langer Zeit erzwungenen Schweigens endlich wieder den Kirchenraum flutet. Der Hamburger Orgelsommer brachte neben barocken Klängen auch französische und deutsche Hochromantik in den Michel, programmatisch ins Paradies ging es bei einem chorsinfonischen Abend im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals, das Philharmonische Staatsorchester gastierte hier mehrmals, und Josef Thöne und Horst Huhn feierten lautstark ihr dreißigjähriges Jubiläum als Türmer im Michel.

Nun stehen die Bach-Wochen an. Wie im Jahr zuvor bilden Eröffnungs- und Abschlusskonzert eine Klammer der Vergänglichkeit: Edward Elgars Oratorium „The Dream of Gerontius“ ist die musikalische Aneignung eines geistlichen Gedichts, das den Weg einer Seele nach dem Verlassen eines toten Körpers beschreibt. Michel-Kantor Jörg Endebrock hat die Komposition schon zu seiner Wiesbadener Zeit aufgeführt, in Hamburgs Hauptkirche indes wird der „Dream of Gerontius“ zum ersten Mal erklingen. Und wie schon im Vorjahr steht am Ende Brahms’ „Deutsches Requiem“ an, ein Werk, das zum engsten Repertoire, um nicht zu sagen: zur DNA des Chores St. Michaelis gehört. An diesem Abend – dem Vorabend zum Ewigkeitssonntag – wird auch der Jubilar Ralph Vaughan Williams mit seiner Komposition „Toward the Unknown“ Region gewürdigt: Der Geburtstag des großen Chorkomponisten jährt sich im Oktober zum 150. Mal. „Bach und England“ ist denn auch die Überschrift für die diesjährige Saison. Das mag einerseits komisch anmuten angesichts der Tatsache, dass Johann Sebastian zwar in Mitteldeutschland viel herum-, jedoch aus Mitteldeutschland kaum herausgekommen ist.

Allerdings dürfte der Dialog von Bachs so universellem Schaffen mit dem reichen musikalischen Erbe englischer Chor- und Orgelmusik spannend wie spannungsreich werden, etwa in den beiden Orgelkonzerten der Michelkantoren Magne H. Draagen und Jörg Endebrock. Auch die beiden besonderen Tage im Kirchenkalender werden würdig begangen: Für den Reformationstag ist ein feierliches „Trompetenspektakel“ programmiert, und am Ewigkeitssonntag lassen – gleichsam als Epilog zu den Bachwochen – Michel-Chor und -Orchester das Kirchenjahr ausklingen mit Bachs Kantate „Wachet auf, ruft uns die Stimme“.

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