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Blickwinkel: Steffen Göbel zur Sanierung der Beethovenhalle

„Ein Abriss wäre ein Frevel gewesen“

Steffen Göbel ist Leiter der GmbH „das Bauprojekt“. Als erfahrener Bauingenieur ist er mit der komplizierten Sanierung der Beethovenhalle in Bonn betraut worden.

vonSusanne Bánhidai,

Was zeichnet die Beethovenhalle in Bonn aus –was ist das Besondere und Erhaltenswerte? 

Steffen Göbel: In der Halle steckt viel künstlerisches und historisches Erbe: Hier fanden bedeutende politische Ereignisse statt wie Reden von Theodor Heuss, Willy Brandt, Besuche von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle. Die Beethovenhalle ist ein Stück gelebter Geschichte. 1958 wurde sie fertiggestellt – und zwar von Anfang an als multifunktionales Gebäude. Als Zuhause für das Beethoven-Orchester ebenso wie für Karnevalsfeiern oder Konfirmationen. Ein Haus für alle Bürger. 

Sie gilt auch als ein Symbol der jungen Bundesrepublik. Woran erkennt man das in der Architektur?

Göbel: Die Beethovenhalle verkörpert für mich die positive Aufbruchsstimmung der alten Bonner Republik. Sie wirbt für eine wirtschaftlich starke, aber bescheidene und sympathische Nation – im wohltuenden Gegensatz zu der Gigantomanie, die später an manchen Stellen, etwa in Berlin, zu beobachten war. Der Architekt Siegfried Wolske, der 1954 den Wettbewerb der Stadt gewann, war Schüler von Hans Scharoun und setzte auf Leichtigkeit und Transparenz: große Glasflächen, die innen und außen miteinander verbinden, und eine mutige Farbgebung aus Blau, Gelb und einem verrückten Türkis bei der Studiowand im Süd Foyer. Auch in Bezug auf die verbauten Materialien gibt es eine Dramaturgie. Sie werden immer hochwertiger, je weiter man in das Gebäude eindringt, und im großen Saal wartet das Finale mit der offenen Bühne. 

Die dringend nötige Sanierung der Beethovenhalle begann bereits 2016 und sollte zum Beethoven-Jubiläumsjahr 2020 abgeschlossen sein. Warum kam der Prozess an einen Punkt, an dem es nicht mehr weiterging?

Göbel: Das liegt weniger an Bonn als an einem deutschlandweiten Problem: Wenn die öffentliche Verwaltung als Bauherr auftritt, wird es kompliziert. Bürokratie, geringe Gestaltungsspielräume und mangelnder Entscheidungswille führen oft zu Stagnation. Als wir das Projekt 2022 übernahmen, habe ich daher die Devise herausgegeben, dass jede Entscheidung innerhalb von 48 Stunden getroffen werden muss. Das sorgte zunächst für Irritationen, aber die politischen Fraktionen haben diesen Kurs konstruktiv mitgetragen.

Stand angesichts der Schwierigkeiten jemals ein Neubau zur Debatte?

Göbel: Ein Abriss wäre ein Frevel gewesen. 2022 war bereits viel Geld verbaut, und das Gebäude hat eben Substanz – architektonisch wie historisch. Das ist schon in den 1990er-Jahren gewürdigt worden, die Beethovenhalle steht seitdem unter Denkmalschutz. Viele der erhaltenswerten Elemente wie die Mosaikwand im Restaurantbereich, die Decke im großen Saal im historischen Farbton Crysanthemengelb oder das Foyer-Kunstwerk von Joseph Fassbender mussten doch erhalten bleiben! 

Was konnten Sie akustisch und technisch noch verbessern?

Göbel: Die Beethovenhalle hatte schon zur Entstehung eine sehr gute Akustik. Nach einem Brand in den 1980er-Jahren wurde die Bühne jedoch hinten geschlossen, was der Klangqualität nicht gut getan hat. Wir haben nun ein offenes Kupfergeflecht hinter der Bühne eingebaut und eine moderne Nachhallanlage installiert. Die Tests waren sehr positiv. Eine Multifunktionshalle bleibt immer ein Kompromiss, aber mein Anspruch war, ein akustisch überzeugendes Erlebnis zu schaffen.

Wie modern ist die Beethovenhalle heute – insbesondere in Bezug auf Energie und Technik?

Göbel: Ich vergleiche das gern so: Sie haben ein Mercedes-Cabrio aus den 1950ern und rüsten es mit Elektromotor, Klimaanlage und elektrischem Verdeck aus. Genau das haben wir hier getan. Wir haben Wärmerückgewinnungsanlagen verbaut und Photovoltaik auf den Flachdächern installiert. Die Halle ist energetisch wirklich auf dem neuesten Stand und für die nächsten Jahrzehnte gerüstet. Auch in technischer Hinsicht wird sie nun höchsten und unterschiedlichen Ansprüchen gerecht. 

Was bedeutet Ihnen persönlich der Namensgeber Ludwig van Beethoven?

Göbel: Ich bin vor allem ein Konsument, aber mit meinem Abonnement bei den Berliner Philharmonikern ein ganz verlässlicher. Ludwig van Beethoven ist selbstverständlich einer unserer größten Komponisten. Aber manchmal finde ich Gustav Mahler beeindruckender.

Was bewegt Sie jetzt, kurz vor der Wiedereröffnung?

Göbel: Ich bin sehr dankbar. Die Oberbürgermeisterin Katja Dörner war mutig genug, die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft zu versuchen. Die Fraktionen im Beirat haben den Prozess kritisch, aber immer konstruktiv begleitet. Und die Firmen – viele davon aus dem Rheinland – haben großartige Arbeit geleistet. Mir ist außerdem noch wichtig zu erwähnen, dass von über 2000 Handwerkern auf der Baustelle rund 90 Prozent einen Migrationshintergrund haben. Ohne sie wäre hier kein Stein verrückt worden.

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