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Kurz gefragt Christoph Eschenbach

Weder Weisheit noch Alter

Christoph Eschenbach hat 2014 seinen ersten Grammy für die NDR-Aufnahme des Violinkonzerts von Paul Hindemith gewonnen. Hier spricht er über…

vonChristian Schmidt,

… Hindemith

Gut, dass Sie nach dem fragen! Paul Hindemith liegt mir sehr am Herzen, seit ich lebe. Die erste Platte, die ich aufgenommen habe, war seine Kinderoper Wir bauen eine Stadt. Ich war 13 Jahre alt, als ich dieses wunderbare Werk für die Deutsche Grammophon dirigiert habe. Als nächstes spielte ich die drei Klaviersonaten. Diesen Grammy hat ja in erster Linie Hindemith gewonnen, nicht ich oder das Orchester. Hindemith hat so eine Tiefe und Emotionalität in seiner Musik, das habe ich schon als Heranwachsender gespürt. Die Adornos dieser Welt, die ja auch Schostakowitsch und Sibelius ablehnten, fanden damals Hindemiths Musik abstoßend, und Adorno war zur Zeit der Konstruktivismusvorwürfe nun mal der Papst, dem hat man geglaubt. Heutzutage hat sich das zum Glück relativiert.

… Öffentliche Kulturförderung

Hier in Amerika, wo es nicht mal einen Kulturminister gibt, braucht man nicht weit zu blicken, um die Kehrseite der privat finanzierten Kultur zu sehen: Wenn die Quellen der Sponsoren aus wirtschaftlichen Gründen oder gar aus einer Laune heraus versiegen, stehen reihenweise die Orchester vor dem Kollaps, völlig unabhängig von ihrer Qualität, so wie gerade in Minnesota oder in Detroit. Verglichen damit geht es uns in Deutschland sehr gut. Aber ich sehe, dass immer noch zuerst bei der Kultur gekürzt wird, dabei basiert unsere Moral auf der Kultur, sie ist die wichtigste Säule unserer Gesellschaft! Ich finde, Dirigenten und Solisten müssten ihre Kräfte in einem regelmäßigen Gremium oder Kolloquium vereinen. Wer dabei helfen könnte und es oft nicht tut, sind die Medien. Die Situation wird sich sonst weiter verschlechtern. Schon heute arbeiten viele Freundeskreise nach amerikanischem Vorbild. Weil die Budgets gerade für das Alltägliche, aber nicht für Tourneen und Plattenaufnahmen reichen, sind seit mehr als einem Jahrzehnt solche Förderer unersetzlich.

… Komponisten, die er nie aufführen würde

Ich hatte mal naturgemäß eine Aversion gegen Hans Pfitzner, doch mir kommen zum Beispiel Orchesterlieder in den Sinn, die ich gut finde. Prinzipiell kommt es immer darauf an, welche Stücke man in welcher Weise aufführt. Wagner als Musiker zum Beispiel liebe ich sehr, trotz seiner furchtbaren Schriften, die er ja gottlob nicht vertont hat. Das Werk muss man in gewisser Hinsicht vom Menschen trennen, denn gerade Wagner hat seine Meinung ja auch ständig geändert, je nach Windrichtung. Beim Frühstück war er katholisch, beim Mittagessen Antisemit, beim Abendbrot Buddhist. Levi wollte er unbedingt als Dirigenten haben, obwohl er Jude war.

… „Protektion“ von Nachwuchsmusikern

Viele Stars werden ja äußerlich dazu gemacht, manche bleiben Strohfeuer. Andererseits kommen zu wenig neue Talente zum Zuge, weil sie sich angeblich nicht verkaufen. Daher bin ich gerne Mentor, weil es mir Spaß macht und ich damit zurückgebe, was mir dereinst von Szell und Karajan angedieh. Ich kümmere mich um Leute, die ich hervorragend finde. Wenn sie wollen, gebe ich ihnen auch gern einen ganzen Tag Unterricht. Und alle wollen. Leider habe ich immer wieder Schwierigkeiten, Veranstalter von ihnen zu überzeugen. Aber ich kann natürlich nicht dauernd für sie den Agenten spielen.

… Altersweisheit

Für mich gibt es weder Weisheit noch Alter. Ich fühle mich unglaublich frisch und jung, vor allem im Kopf. Da habe ich mein Fitness-Studio. Nein, Weisheit ist doch ein Begriff des Abschlusses. Und wenn es so weit sein sollte, wäre ich zu selbstkritisch, um das Ende meiner Entwicklung nicht zu erkennen. Aber noch heute arbeite ich viel, mein Geist bildet sich weiter. Viele Stücke habe ich noch nie gemacht! Immerhin lerne ich nun aber schneller als früher, ohne oberflächlich zu sein, das macht dann doch die Erfahrung.

… Eltern

Ich kannte meine natürlichen Eltern nicht, aber meine Stiefeltern haben mir eine sehr gute Erziehung angedeihen lassen. Meine Stiefmutter war Pianistin und Sängerin, sie hat bis ins hohe Alter im schicken Kleid Kinder unterrichtet. Das war ganz bezaubernd, nicht streng im Sinne von Klavierlehrerinnenhaftigkeit, sondern effizient. Wahrscheinlich habe ich von ihr meine Lust am Unterrichten.

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