Trägt das Individuum die Alleinschuld oder begünstigen gesellschaftliche Strukturen das Unheil? Für Katharina Ismailowa, lebenslustig, doch von ihrem Ehemann vernachlässigt, stellt sich diese Frage zwingend. Gewiss stolpert sie allzu leichtfertig in ihre schicksalhafte Misere, doch ohne männliche Missgunst und verleumderische Willkür bliebe die Katastrophe wohl aus. Als ihr die Situation entgleitet, tötet sie im Affekt ihren Schwiegervater Boris, wird zur stillen Komplizin beim Mord an ihrem Mann – und stößt sich, desillusioniert wie eine moderne Lady Macbeth, gemeinsam mit ihrer Rivalin in den reißenden Fluss.
In „Lady Macbeth von Mzensk“, seiner bekanntesten (und eine von nur zwei vollendeten) Opern, zeigt Schostakowitsch beispielhaft die ausweglose Lage von Kindern, Dienern und besonders von Frauen im zaristischen, patriarchal geprägten Russland, in dem allein das Wort des Hausherrn zählte. Die exzessive musikalische Sprache und der moderne, entfesselte Blick auf Sexualität und Erotik, die im sozialistischen Russland der 1920er Jahre kurzzeitig aufblühten, bescherten dem Werk zwar frühen Erfolg, bis Stalin nach einer Aufführung genau diese Qualitäten scharf verurteilte.
Zur Saisoneröffnung der Mailänder Scala am 7.12. würdigen Riccardo Chailly und das Orchestra del Teatro alla Scala nun Schostakowitschs Oper. In den Hauptrollen: Sara Jakubiak als Katerina Ismailowa und Alexander Roslavets, ausgewiesener Spezialist für russisches Repertoire, als Boris Ismailow. Die Inszenierung stammt von Vasily Barkhatov. Arte überträgt die Eröffnung zeitversetzt um 22:00 Uhr im TV.
concerti-Tipp:
Schostakowitsch: Lady Macbeth von Mzensk
So. 7.12., 22:00 Uhr
Arte




