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Porträt Jonathan Dove

Komisches Kapital

Karl Marx beschäftigt vor allem Denker und Theoretiker. Dabei birgt die Biografie des Ökonomen auch amüsante Elemente, wie die Oper „Marx in London“ von Jonathan Dove zeigt.

vonPeter Krause,

Er hatte keins, litt an dessen Mangel und schrieb mit „Das Kapital“ dennoch Geschichte. Karl Marx, der Vordenker einer so nie in die Tat umgesetzten Herrschaft des Proletariats, lebte den Kontrast zwischen seinem hohen Denksystem und einem menschlich-allzumenschlichen Alltag auf so kuriose Weise, dass es verwundert, dass der Philosoph es bislang noch nie zum Operettenhelden, ja zur Titelfigur einer komischen Oper geschafft hat. Jonathan Dove hat den Mangel als Marktlücke und eigene Chance erkannt: Der Brite schreibt mit „Marx in London“ eine musikalische Komödie des 21. Jahrhunderts, die nun anlässlich des 200. Geburtstages des Theoretikers von Kommunismus und Sozialismus in Bonn ihre Uraufführung feiert.

Der englische Erfolgskomponist verfährt in seinem neuesten Musiktheater mit Personen von Stand ähnlich respektlos wie weiland ein Mozart, der in „Le nozze di Figaro“ mit subversivem Humor scheinbar Festgefügtes ins Wanken brachte. Neben Mozart zählt Dove auch Rossini und den späten Verdi des „Falstaff“ zu seinen Vorbildern, wenn es gilt, sich der ewigen Wirkungsmacht des Humors zu versichern, der es in der intellektuell versteinerten Nachkriegsavantgarde – Stichwort: Adorno – enorm schwer hatte. Dabei lebte die Gattung Oper über Jahrhunderte vom durchaus dialektischen Wechselspiel von Heiterem und Ernstem, von Buffa und Seria. Nach den Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs aber haben die Komödien die Opernhäuser verlassen. Jonathan Dove, Jahrgang 1959, berichtet von seiner anderen Prägung: „Ich wurde in eine optimistischere Zeit hineingeboren. Man konnte wieder Butter und Marmelade aufs Brötchen streichen. Und wenn ich mich umhörte, hatte ich den Eindruck, dass es auch an Ernster Musik keinerlei Mangel gab.“

Nach dem Kompositions-Diplom, mit dem er sein Studium in Cambridge abschloss, arbeitete Dove als Liedbegleiter, Korrepetitor und Arrangeur. „In jener Zeit hatte ich viel mit Mozart und Rossini zu tun. Und seitdem glaube ich an die Komödie. Sie passt zu mir. Die moderne Musik der Siebzigerjahre mit ihrer für das Publikum kaum vorhersagbaren Kakofonie war weniger meine Sache. Ich mochte Musik, an die man sich erinnern kann. Puls und perfektes Timing sind essentiell für den musikalischen Humor, um gezielt mit Erwartung und deren Enttäuschung spielen zu können.“ Musikalische Momente der totalen Überraschung können manchmal nur eine Sekunde dauern, aber sie sind für den Briten so köstlich wie kostbar.

Ein Dasein mit menschlichen Widersprüchen

Karl Marx, 1875
Karl Marx, 1875 © gemeinfrei

In „Das Kaptial“ gebe es „wohl nicht zu viele Witze“, witzelt Dove im Gespräch, gleichwohl schlägt er nun selbst Kapital aus der Tatsache, dass „dieser Mann namens Marx mit all seiner intellektuellen Power und visionären analytischen Kraft seinen eigenen Haushalt ganz schlimm managt. Er lebt in einem totalen Chaos.“ Marx hat eine Affäre mit der Haushälterin Helena Demuth, gegen die er im Schach verliert und die ihm ein uneheliches Kind schenkt. Spione gehen ein und aus. „Marx wartet auf den Kollaps des Kapitalismus, hat diesen arkadischen Traum einer neuen Gesellschaftsform und predigt das Proletariat, verbringt aber ein absolut bürgerliches Leben – sein Dasein ist von sehr menschlichen Widersprüchen geprägt.“ Idealer Stoff für eine Komische Oper.

Regisseur und Marx-Experte Jürgen Weber hat in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten das Szenario entworfen, Charles Hart arbeitete das Libretto in englischer Sprache aus. Außer wenigen dichterischen Freiheiten, die den Humor gezielt fördern, folgt die Handlung historisch verbrieften Fakten. Die Musik dazu schnurrt in kuriosen Ensemble-Nummern schon mal ab wie ein Akt-Finale von Rossini. Angst vor verbrauchtem Material hat Dove nicht. Überhaupt werde Originalität überbewertet. „Ein musikalischer Einfall mag ja durchaus neu sein, aber ist er auch gut? Ich mag Stücke, die funktionieren. Was ich beanspruche, ist die Lebendigkeit, ist die Lust am Geschichtenerzählen, so kraftvoll und farbkräftig wie möglich. Ich erforsche ständig neue Kombinationen von Klängen, Kontrasten und Materialien. Mir geht es aber eher um eine Lingua franca als um Avantgarde-Komplexität, um Musik, die wir alle teilen können. Das ist eine andere Agenda als jene der Erfinder des vollkommen Verrückten.“

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