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Opern-Feuilleton: Konzertante Opernaufführungen

Wie sollen wir singen?

Oft stehen Veranstalter vor der Entscheidung, ob sie eine Produktion Konzertant oder Szenisch auf die Bühne bringen. Aber wann ist welche Art der Aufführung sinnvoll?

vonPatrick Erb,

Im Jahr 1828 verfasste der Architekt und Baubeamte Heinrich Hübsch seine Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ Darin stellte er den vorherrschenden Klassizismus in Frage und suchte nach einer stilistischen Erneuerung für seine Zeit. Rückblickend mag das vielleicht etwas zu grundsätzlich gedacht sein, doch ein ähnlicher Reflex lässt sich derzeit im Musiktheater beobachten – mit der Frage: Wie sollen wir Oper singen? Konzertant oder inszeniert?

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Als die Staatsoper Hamburg im Februar Mozarts „Mitridate, re di Ponto“ zur Premiere brachte – ein ambitioniertes Unterfangen angesichts der Unbekanntheit des Werks –, war nicht damit zu rechnen, dass die Antwort auf diese Frage ein kompromissloses „sowohl als auch“ sein würde. Das Staatsorchester unter Ádám Fischer nahm auf der Bühne Platz, während die Sängerinnen und Sänger vor und zwischen den Musikern in einem wenig schmeichelhaften Pseudoszenario agierten. Schnell stellt sich da die These in den Raum: Lieber nicht inszenieren als falsch inszenieren.

Denn visueller Verzicht kann durchaus Gewinn bedeuten, besonders bei Opern, die aufgrund ihres Sujets konzeptionell und konventionell eng gebunden sind. Etwa eine „Madama Butterfly“, in der nur noch eine Materialschlacht – wer entwirft das exzeptionellste Bühnenbild, wer den großartigsten Bühnenzauber? – darüber hinwegblendet, ob die stereotype Asiensehnsucht und die Klischees der kulturellen Aneignung noch zeitgemäß sind oder nicht. Auch Mieczysław Weinbergs notwendigerweise eng im historischen Kontext gelesene „Passagierin“ wirft die Frage auf, ob es eine Alternative zum Lagerszenario geben darf oder – wie Tobias Kratzer in München unlängst deutlich zeigte – geben muss.

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Lieber gar keine Bilder als schlechte Bilder

Der Rückzug ins Konzertante kann also bei musikalisch starken Werken durchaus funktionieren, zumal dem souveränen Zuschauer die bildliche Abstraktion eher zuzutrauen als das Zeigen schlechter Bilder zuzumuten ist. Pro-blematisch wird es erst, wenn sich das Konzertformat zur verdeckten Sparmaßnahme entwickelt. Dann beginnt die Abwärtsspirale: reduzierte Ausstattung, gesenkte Ansprüche. Am Ende steht die Frage, wofür es das Opernhaus überhaupt noch braucht.

Gleichzeitig glänzen Festivals regelmäßig mit hochkarätig besetzten konzertanten Produktionen. In Baden-Baden werden neben den traditionellen Neuinszenierungen der Osterfestspiele aufwendig besetzte Konzertfassungen gezeigt – etwa im Mai ein „Freischütz“ des RIAS Kammerchor und der Kammerakademie Potsdam mit Charles Castronovo und Golda Schultz in den Hauptrollen. Zwar bleibt fraglich, ob große Namen das Fehlen eines stimmigen Regiekonzepts ausgleichen können oder sollen. Doch das Modell funktioniert – vielerorts sind solche Reihen längst fest etabliert. Die Elbphilharmonie stellt gar die grundsätzliche Frage, ob der Konzertsaal nicht das geeignetere Haus für Oper ist – zumindest akustisch und im Idealfall auch untermauert durch aufwendige Kostüme?

Dennoch sind Opern handlungsgetrieben. Allein mit Musik lässt sich die innere Logik oft nicht vermitteln – barocke Liebeskonstellationen etwa, in denen sich personalreiche Verwechslungen ins Komische steigern, leben vom szenischen Spiel. Ob ein Stück ohne konkrete Darstellung noch verständlich ist, bleibt in vielen Fällen zu bezweifeln und gelingt vor allem dann, wenn das Publikum inhaltlich vorbereitet ist. Zwar bieten allegorische oder eigens für den Konzertrahmen geschriebene Werke oft günstigere Voraussetzungen. Doch auch hier gilt: Nur ein sinnstiftendes Werk ist ein gutes Werk – und Sinnstiftung bleibt letztlich auch eine Frage der Form.











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