Operetten-Kritik: Komische Oper Berlin – Die Perlen der Cleopatra
Cleopatra, die Potentatin von Pankow
(Berlin, 3.12.2016) Barrie Kosky macht das dritte Opernhaus der Hauptstadt mit sehr leichter Hand zu einem der ersten der Republik
© Iko Freese/drama-berlin.de

Komische Oper Berlin/Die Perlen der Cleopatra
Ihr rotzfreches Kätzchen hört auf den Namen Ingeborg. Wobei dieser Tiger vom Nil am liebsten ungefragt drauflosquatscht, wenn Frauchen Cleopatra gerade mal wieder in Liebesdingen zu tun hat. Wenn diese Königin von Ägypten dann ihrem bissigen Schmusetier genervt antwortet, berlinert sie so ungeniert, dass sich der Saal vor Lachen biegt. Diese Cleopatra von der Spree ist mal so gar kein busenpraller Elisabeth Taylor-Verschnitt, sie gleicht eher einer Potentatin von Pankow: fast ganz politikverdrossen besitzt sie doch den untrüglichen Machtinstinkt einer Frau, die es irgendwie von ganz unten nach ganz oben geschafft hat. Die weiß sich natürlich alsbald zu trösten über den Verlust des schlappschwanzigen Caesar: mit dessen mit heldisch blondem Langhaar gesegneten Landsmann Silvius. Darf’s ein kleiner ägyptischer Flirt sein?
Eine Besetzungs-Sensation wie einst „die“ Massary ist nun auch Dagmar Manzel
So eindeutig wie jetzt lag wohl Alexandria nie in der deutschen Hauptstadt. Hier wurde der Operettenkracher von Oscar Straus nach der Wiener Uraufführung von 1922 bereits anno 1924 nachgespielt – mit der legendären Diseusen-Diva Fritzi Massary als Cleopatra. Eine Besetzungs-Sensation wie einst „die“ Massary ist nun auch Dagmar Manzel als alle Grenzen des Cleopatra-Klischees brechendes Luder einer Pharaonin und Vulkan von Bühnentier, das sogar noch Kätzchen Ingeborg als Bauchrednerin ihre Stimme leiht. Überhaupt: Die Manzel kann singen, und wie. Sie jodelt und johlt, girrt und gurrt, orgelt im Alt-Keller und tiriliert in Sopran-Stratosphären. Elektronisch verstärkt zwar, wie alle Sänger der Produktion, aber dafür mit einer den Wortwitz stärkenden idealen Verständlichkeit eines jeden, sehr gern auch mal sehr platten Kalauers.
Unter der Gürtellinie – aber nicht unter Niveau
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Komische Oper Berlin/Die Perlen der Cleopatra
Gelacht wird über die operettenbeschwingten Zweidreiviertelstunden eigentlich durchweg unter der Gürtellinie – und doch nie unter Niveau. Denn der Regie führende Hausherr Barrie Kosky versteht sein Handwerk einfach zu traumwandlerisch gut. Die von Dirigent Adam Benzwi klug eingerichtete, in der Orchestrierung teils reduzierte, teils jazzig extra gut gewürzte und mit „Aida“-Zitaten angereicherte Fassung schärft die bissige Verzahnung von Wort und Ton, sodass diese Oscar Straus-Sause abschnurrt wie nix Gutes. Das Timing ist so sekundenbruchteilgenau gearbeitet wie in der weltbesten Broadway-Show. Die Pointen sitzen so präzise, dass wir gar nicht zum Nachdenken darüber kommen, wie seicht die vielleicht gerade waren.
Der Unterhaltungsmehrwert der leichten Muse
It’s Showtime an der Behrenstraße. Und das dritte Opernhaus der Hauptstadt macht Kosky mal wieder mit ganz leichter Hand und einem sehr offenen Bekenntnis zum Unterhaltungsmehrwert der leichten Muse zu einem der ersten Republik. Die Opulenz der Kostüme von Victoria Behr ist blendend. Die geschickt in Schwarz-Weiß dagegen gesetzte Art Deco-Bühne von Rufus Didwszus die ideale Klammer zur Entstehungszeit der Roaring Twenties. Die Choreographie von Otto Pichler gleicht einem alle Geschlechter in Eins setzenden furiosen Transen-Ball. Und die exakt typgenaue, vokal erstklassige Sängerbesetzung ist ein wahrer Operetten-Traum.
„Ägypten den Ägyptern!“
Nur die Operette als heimliche Mutter des politischen Musiktheaters kommt an diesem Abend zu kurz. Zwar macht Dominique Horwitz als Cleopatras devoter Diener Pampylus auch mal die Merkelraute, und Dagmar Manzel raunt ganz AfD-ironisch: „Ägypten den Ägyptern!“ Sonst aber wird aus dem furiosen Kampf der Kulturen kein Kapital geschlagen. Ein geringer Mangel: Denn der grandios aufgekochte Melodienschmalz des Oscar Straus geht so direkt ins Ohr, wie die Pointen perfekt zünden. Was will man mehr?
© Iko Freese/drama-berlin.de
Komische Oper Berlin/Die Perlen der Cleopatra
Komische Oper Berlin
Oscar Straus: Die Perlen der Cleopatra
Besetzung: Adam Benzwi (Leitung), Barrie Kosky (Regie), Otto Pichler (Choreografie), Rufus Didwiszus (Bühnenbild), Victoria Behr (Kostüme), Simon Berger (Dramaturgie), David Cavelius (Chöre), Diego Leetz (Licht), Dagmar Manzel (Cleopatra, Königin von Ägypten), Johannes Dunz (Beladonis, Prinz von Persien), Dominik Köninger (Silvius, ein römischer Offizier), Dominique Horwitz (Pampylos, Minister), Talya Lieberman (Charmian, Hofdame), Peter Renz (Marcus Antonius, Triumvir des Römischen Reiches / Kophra), Chorsolisten der Komischen Oper Berlin, Lindenquintett Berlin
Weitere Aufführungs-Termine:
Termine
Herman: La Cage aux Folles
Peter Renz (Georges), Stefan Kurt (Albin), Daniel Ojeda (Jacob), Nicky Wuchinger (Jean-Michel), Tom Erik Lie (Edouardo Dindon), Chorsolisten, Komparserie und Tanzensemble der Komischen Oper Berlin, Orchester der Komischen Oper Berlin, Koen Schoots (Leitung), Barrie Kosky (Regie)
… und mit morgen könnt ihr mich! – Ein Berlin-Abend mit Songs von Kurt …
Katharine Mehrling (vocals), Kai Tietje (Leitung), Barrie Kosky (Regie)
Herman: La Cage aux Folles
Peter Renz (Georges), Stefan Kurt (Albin), Daniel Ojeda (Jacob), Nicky Wuchinger (Jean-Michel), Tom Erik Lie (Edouardo Dindon), Chorsolisten, Komparserie und Tanzensemble der Komischen Oper Berlin, Orchester der Komischen Oper Berlin, Koen Schoots (Leitung), Barrie Kosky (Regie)
Offenbach: Orpheus in der Unterwelt
Tansel Akzeybek (Orpheus), Bryony Dwyer (Eurydike), Max Hopp (John Styx), Susan Maclean (Die öffentliche Meinung), Alma Sadé (Diana), Adrien Perruchon (Leitung), Barrie Kosky (Regie)
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Offenbach: Orpheus in der Unterwelt
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Offenbach: Orpheus in der Unterwelt
Tansel Akzeybek (Orpheus), Bryony Dwyer (Eurydike), Max Hopp (John Styx), Susan Maclean (Die öffentliche Meinung), Alma Sadé (Diana), Adrien Perruchon (Leitung), Barrie Kosky (Regie)
Offenbach: Orpheus in der Unterwelt
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Händel: Semele
Elsa Benoît (Semele), Philipp Meierhöfer (Cadmus), Carmen Artaza (Ino), Carlo Vistoli (Athamas), Stuart Jackson (Jupiter), Ezgi Kutlu (Juno), Josefine Mindus (Iris), David Shipley (Somnus), Konrad Junghänel (Leitung), Barrie Kosky (Regie)
Rezensionen
DVD-Rezension Barrie Kosky
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