Chefgott Wotan hockt pseudogermanisch gewandet und angelnd in einer Mondsichel, während Gemahlin Fricka einen Wal streichelt. Allerliebste Wölkchen zieren das Firmament, neckische Wellen plätschern einher. Der Malsaal hat Illusionismus von der Art geliefert, wie er der Märchenbühne wohl anstünde, trüge er nicht allzu dick auf und wiese merklich in Richtung Unterhaltungstheater. Wirklich agiert der Ober-Lichtalbe zunächst eher burlesk, beinahe ein Verwandter Jupiters aus „Orphée aux enfers“. Doch zielen Regisseur Paul-Georg Dittrich, die Bühnenbildnerinnen Pia Dederichs und Lena Schmid im Verein mit Kostümdesignerin Mona Ulrich an der Oper Köln auf anderes als eine Offenbachiade.

Übersprazierte Metaphern
Ihnen liegt tatsächlich am Märchen. In ihren Augen einem anfänglich unschuldigen Narrativ. Doch kaum im Begriff sittlicher Werthaltungen, eher jenseits von Gut und Böse. Denn Alberich spielen die Rheintöchter wenig zimperlich mit. Obschon ihnen Mädchenhaftes eignet, sie dessen unerachtet in schwarzen Abendroben auf die Bühne zu schicken, um statt ihrer Kinder agieren zu lassen, manövriert die Bildrede vom Kindheitsstadium der Welt auf die schiefe Ebene. Lessing warnte davor, Metaphern überzustrapazieren. Doch eben das geschieht im Kölner „Rheingold“.

Hang zum Horrormärchen
Gleiches gilt für die Herausstreichung märchenhafter Züge. Gewiss legen etwa Alberichs Verwandlungen in Riesenschlange und Kröte es nahe. Allein, was Wagner in „Das Rheingold“ erdichtet und in Noten gesetzt hat, ist kein Märchen, vielmehr boshafteste Komödie. Freilich schlägt die in Nibelheims Stahlskelett-Fabrik obwaltende Brutalität die Brücke von dem einen Genre zum anderen. Grausamer noch in jener Elektroschock-Tortur, der Loge den in die Göttersphäre entführten Schwarzalben aussetzt, um ihm den Hort abzupressen – die einzige unter die Haut gehende Situation des Abends. Das noch Folgende ist ohne Belang. Walhalls ansichtig zu werden, wird verweigert. Die Wotan-Sippe steht vor ihren zu Horrorvisagen entstellten Konterfeis in der Gegend herum. Zum bösen Ende gehen die Zombieportraits in Flammen auf. Weltenbrand schon jetzt. Darf man sich den Rest der Tetralogie sparen?

Musikalisch beachtlich
Während Kölns „Rheingold“ Gefahr läuft, in der szenischen Sackgasse zu landen, erwirbt es sich musikalisch durchaus einige Meriten. Unter Marc Albrecht tönen vor allem Blech und Perkussion des Gürzenich-Orchesters im Staatenhaus prägnant. Dem Einzug ins auf der Bühne nicht vorhandene Walhall eignet ungeheure Massivität und Härte. An der Skrupellosigkeit der Wotansippe bleibt auch orchestral nicht der geringste Zweifel. Leitmotivische Verwobenheit und Mischklang-Magie haben bei so bewandter Sache wenig verloren. Jordan Shanahans Wotan gewinnt im Lauf des Abends erheblich an vokaler Statur. Final vermag Shanahan den Gott gleichermaßen in seiner Grandezza und Skrupellosigkeit zu beglaubigen. Tenoral agil und wendig, verkörpert Mauro Peter den feuereifrigen Loge. Der Ungeschlachtheit Alberichs lauscht Daniel Schmutzhard dennoch Belcanteskes ab. Unerachtet seiner Goldgier gebärdet sich Fasolt bei Christoph Seidel glaubwürdig als Freias durchaus lyrisch gestimmter Verehrer. Bettina Ranch verkörpert eine die Lage sorgfältig beobachtende und nach Handlungsoptionen spähende Fricka. Adriana Bastidas-Gamboa macht Erdas kurzen Auftritt zum Elementarereignis.
Oper Köln
Wagner: Das Rheingold
Marc Albrecht (Leitung), Paul-Georg Dittrich (Regie), Pia Dederichs & Lena Schmid (Bühne), Mona Ulrich (Kostüme), Andreas Grüter (Licht), Robi Voigt (Video), Paolo Fossa (Bewegungscoaching), Jordan Shanahan, Miljenko Turk, Tuomas Katajala, Mauro Peter, Daniel Schmutzhard, Martin Koch, Christoph Seidl, Lucas Singer, Bettina Ranch, Emily Hindrichs, Adriana Bastidas-Gamboa, Giulia Montanari, Regina Richter, Johanna Thomsen, Gürzenich-Orchester Köln
Termintipp
Mi., 29. Oktober 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Wagner: Das Rheingold
Marc Albrecht (Leitung), Paul-Georg Dittrich (Regie)
Termintipp
Fr., 31. Oktober 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Wagner: Das Rheingold
Marc Albrecht (Leitung), Paul-Georg Dittrich (Regie)
Termintipp
So., 02. November 2025 16:00 Uhr
Musiktheater
Wagner: Das Rheingold
Marc Albrecht (Leitung), Paul-Georg Dittrich (Regie)
Termintipp
Do., 06. November 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Wagner: Das Rheingold
Marc Albrecht (Leitung), Paul-Georg Dittrich (Regie)
Termintipp
Sa., 08. November 2025 19:30 Uhr
Musiktheater
Wagner: Das Rheingold
Marc Albrecht (Leitung), Paul-Georg Dittrich (Regie)




