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Porträt Nikki Iles

Aus Liebe zur Melodie

Als Komponistin, Pianistin und Bandleaderin prägt Nikki Iles den britischen Jazz. Nun wird sie die erste Chefdirigentin der NDR Bigband.

vonJan-Hendrik Maier,

Als „Großbritanniens Heldin des Jazz“ bezeichnete ein englisches Magazin einmal Nikki Iles. Mehr als dreißig Alben hat die Pianistin, Komponistin und Bandleaderin bisher veröffentlicht und dabei mit so unterschiedlichen Kollegen wie Mike Gibbs, Anthony Braxton, Tina May und Stan Sulzmann zusammengearbeitet. Eine Rückschau auf ihre musikalischen Partner liest sich wie ein hervorragend kuratierter Almanach der modernen britischen und amerikanischen Jazzszene. Ein Trio habe sich ihr allerdings besonders ins Herzen geschrieben: Trompeter Kenny Wheeler, Bassist Dave Holland und die Grande Dame des Jazzgesangs, Norma Winstone. „Sie haben mich von Anfang an auf meinem musikalischen Weg inspiriert, sie sind Vorbilder und Freunde zugleich.“

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Unendliche musikalische Möglichkeiten am Klavier

Bereits in ihren frühen Kindertagen kam Iles mit Musik in Berührung. Ihre Eltern waren in der Freizeit als Pianistin bzw. Schlagzeuger aktiv, und zu Hause lief stets eine Platte – neben Klassik häufig Alben von Ella Fitzgerald, Nat Cole und Oscar Peterson. „Ihre Musik habe ich fast wie durch Osmose aufgesogen.“ Ermutigt vom preisgekrönten Mundharmonikaspieler Douglas Tate, der Anfang der 70er-Jahre als Grundschullehrer tätig gewesen ist, probierte sich Iles an diversen Instrumenten aus: Akkordeon, Klarinette, Klavier. Als Elfjährige gewann sie ein Stipendium für die Royal Academy of Music. Prägende Jahre folgten, in denen sie jeden Samstag eine Stunde aus dem heimischen Bedfordshire nach London pendelte, als Pianistin bald schon kleinere Ensembles und Sänger begleitete und eines Tages sogar den Solopart in Mozarts Klarinettenkonzert übernahm. Doch ihre musikalische Stimme fand sie letztlich im Klavier. „Für mich ist es immer viel mehr als nur ein Instrument gewesen, sowohl beim Spielen als auch beim Komponieren. Es bietet unendlich viele Möglichkeiten.“

Nach dem Studium in Leeds gründete sie mit Trompeter Richard Iles, Gitarrist Mike Walker und Saxofonist Iain Dixon ihre erste Band Emanon. Stundenlang improvisierten sie gemeinsam, lebten ihre kreative Freiheit und Entdeckungsfreude aus. Anfang der 90er schlossen sie sich alle auch dem Creative Jazz Orchestra an, wo Iles unter anderem Mark-Anthony Turnage, Kenny Wheeler und Mike Gibbs kennenlernte. Gibbs ist es, der sie für sein Album „By the Way“ als Pianistin engagierte. „Diese Begegnungen haben mein Leben verändert und den Grundstein für viele Projekte in der Zukunft gelegt.“ Zahlreiche Live-Auftritte und Aufnahmen mit der Crème de la Crème des britischen Jazz sollten folgen. Getrieben von der Leidenschaft für das Lied rief sie in den Nullerjahren mit ein paar Freunden, darunter Norma Winstone, das Sextett „The Printmakers“ ins Leben. „Diese Band ist für mich wie eine Familie. Mit Sängerinnen und Sängern zu arbeiten ist eine besondere Kunst, die einen dazu bringt, das Lied als Ganzes im Team zu gestalten – ganz ohne Egos. Diese Art, Musik zu machen, schätze ich sehr.“

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Vom Composer-in-Residence zur Chefdirigentin

Schon früh gelang es Iles, sich neben ihrer Karriere als Pianistin auch als Komponistin zu etablieren. Ob die London Sinfonietta, das Scottish National Jazz Orchestra oder Grammy-Preisträger Kurt Elling – sie alle haben Aufträge an Iles vergeben. Ihr Stil? „Ich liebe Melodien, ich liebe frühe englische Musik von Thomas Tallis bis zur Moderne, ich liebe Volksmusik und Musik mit kraftvollen Grooves. Musikalische Grenzen interessieren mich wenig. Obwohl ich mit großartigem amerikanischem Jazz aufgewachsen bin, hat mich vor allem europäischer Jazz ab den 70er Jahren tief berührt. Viele dieser Einflüsse verschmelzen in meiner Musik.“ Gleichwohl gelingt es ihr, mit Poesie und unerwarteten Kanten Hörer und Musiker zu überraschen.

2020 nahm Iles am Kompositionswettbewerb der NDR Bigband teil, was sich als Beginn einer neuen fruchtbaren Beziehung herausstellen sollte. Drei Jahre später lud man sie als Composer-in-Residence ein, das damals entstandene Album „Face to Face“ erhielt eine Nominierung für den Deutschen Jazzpreis. Im Herbst 2025 setzt sich die musikalische Liebesbeziehung zwischen der „Heldin“ aus Bedfordshire und der renommierten Hamburger Formation fort: Nikki Iles tritt das Amt der Chefdirigentin an – als erste Frau in der siebzigjährigen Geschichte der Bigband. Intensive Blicke nach England werden dabei in ihrer ersten Saison nicht ausbleiben.

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