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Porträt Rafal Blechacz

Klänge als Farben sehen

Der Pianist Rafal Blechacz über Debussy und Szymanowski, das Vorbild Bach und die Suche nach dem idealen Klavierklang

vonCorina Kolbe,

Als Rafal Blechacz 2005 den legendären Warschauer Chopin-Wettbewerb in allen Kategorien gewann, wurde er über Nacht in aller Welt bekannt. Statt schnellen Ruhm zu suchen, hat sich der polnische Pianist jedoch die Zeit genommen, sein Repertoire klug zu erweitern. Mehr als 40 bis 50 Konzerte im Jahr wolle er nicht spielen, erklärt er. Den verbleibenden Freiraum nutzt er dazu, sich tief in Partituren zu versenken.

Blechacz‘ brillante neue Aufnahme mit Werken von Debussy und Szymanowski zeigt, dass ihn seine reflektierende Herangehensweise auf den richtigen Weg gebracht hat. Beide Komponisten hat er schon früh entdeckt, lange vor seinem Erfolg in Warschau. „Debussy hat mich besonders für Klangfarben und -schattierungen sensibilisiert, die auch bei Chopin und Szymanowski eine wichtige Rolle spielen“, sagt er. „Es ist sehr hilfreich, sich beim Spielen Töne als Farbnuancen vorzustellen.“

Farben sind für ihn nicht nur Ausdruck verschiedener Klangintensitäten, sondern evozieren auch unterschiedliche Stimmungen. Mit einem wohldosierten Pedaleinsatz gelingt es Blechacz etwa in Debussys Estampes, wie ein impressionistischer Maler feinste Abstufungen hinzutupfen. „In Jardins sous la pluie hat jede Stimme ihre eigene Farbe. Die zarte silbrige Melodie in der rechten Hand erinnert an Tropfen von Morgentau, während die linke Hand ganz andere Töne hervorbringt.“

Debussy wurde ebenso wie Chopin aber auch durch die Formstrenge Bachs beeinflusst. Rafal Blechacz kam schon als Kind mit dem großen Barockkomponisten in Berührung. Mit seiner Familie besuchte er in dem kleinen Ort Nakl´o nad Notecia, regelmäßig den katholischen Gottesdienst. „Das Orgelspiel in der Kirche hat mich von Anfang an fasziniert. So ist Bach meine erste musikalische Liebe geworden.“

Die Vielstimmigkeit von Bachs Kompositionen findet Blechacz im späten Chopin wieder. Seine eigenen Erfahrungen mit der „Königin der Instrumente“ haben dem Pianisten dabei geholfen, sein Legato-Spiel zu perfektionieren: „An der Orgel kann ich Töne nur mit den Fingern und nicht durch das Pedal aneinander binden. Das übertrage ich auf mein Klavierspiel und setze das Pedal nur sparsam ein.“

Bis Blechacz für seine Auftritte den richtigen Flügel findet, probiert er meist mehrere Instrumente aus. In der Hamburger Laeiszhalle, wo er Werke von Bach, Beethoven, Chopin und Szymanowski spielt, hat er bereits bei seinem ersten Recital einen idealen Steinway-Flügel entdeckt, den er auch für die Aufnahme seiner neuen CD nutzte. „Für Szymanowski brauche ich einen gewaltigen Klang und einen starken Bass“, erklärt er. An dem polnischen Komponisten reizt ihn, dass er einerseits vom Impressionismus und zum anderen vom expressionistischen Stil Skrjabins geprägt wurde. „Ich habe an ihm auch esoterische Züge entdeckt, einen ganz dunklen Klang und düstere Akkorde.“

Ganz bewusst legt sich Rafal Blechacz nicht auf Chopin fest. Was keinesfalls bedeutet, dass ihm sein Landsmann nichts Neues mehr bieten kann. Denn als nächstes möchte Blechacz sämtliche Polonaises einstudieren.

Album Cover für
Rafał Blechacz (Klavier)
Debussy: Pour le piano, Estampes & L‘Isle joyeuse, Szymanowski: Prelude & Fuge cis-Moll, Klaviersonate op. 8
Deutsche Grammophon

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