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Porträt Tanja Tetzlaff

Gefühle auf vier Saiten

Kinder, Kammerphilharmonie und Karriere: Ganz einfach ist das nicht unter einen Hut zu bringen

vonSigrid Schuer,

„Man sammelt Gefühle im Leben.“ Für einen Moment hält Tanja Tetzlaff inne und lässt den Blick schweifen. „Meine Erlebnisse lasse ich in meine Musik einfließen, all meine Emotionen kann ich in meinem Cello-Spiel kanalisieren: Freude und Glück, aber auch Frust, Wut und Angst – insofern ist mein Beruf der schönste, den man haben kann“. Ohne Zweifel: Die Cellistin lebt in der und für die Musik.

Groß geworden ist die gebürtige Hamburgerin als Solo-Cellistin bei der Deutschen Kammerphilharmonie und mit „ihrem“ Orchester um die Welt gereist. Yokohama, Salzburg, Sao Paulo, Warschau … doch ein besonderer Glücksmoment sei es gewesen, als die Bremer im Théâtre des Champs-Élysées in Paris für die fulminante Interpretation ihres Beethoven-Zyklus gefeiert wurden. Aber nicht nur deshalb gehört die französische Hauptstadt zu ihren Lieblings-Metropolen – und entsprechend nah sind ihr die dortigen Terrorattacken gegangen: „Ich habe eine Woche nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo dort ein Konzert gespielt“, erzählt die Streicherin. „Es war entsetzlich, aber ich habe auch gemerkt, was wir den Menschen mit unserer Musik gegeben haben: Sie konnten einen Moment lang ihre Trauer und ihre Angst vergessen.“

Johannes Brahms bereitete 
ihr schlaflose Nächte

Unterdessen geht ihre Orchesterreise weiter, denn nach Schumann erobert sich die Kammerphilharmonie nun den Brahms-Kosmos. „Schumann war zunächst für mich fremd und spröde, dann war es aber toll für mich, in seine Musik einzutauchen“, erzählt Tetzlaff. „Und Brahms war für mich derart intensiv, dass ich zuerst nachts nicht schlafen konnte.“

Ein Leben für die Musik eben – so wie in der gesamten Familie Tetzlaff. Ihren Mann Florian Donderer lernte die Musikerin bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen kennen: „1999 hat er bei uns vorgespielt – und da habe ich gleich für ihn gestimmt“, schmunzelt sie. Inzwischen ist der Geiger zum Konzertmeister des Orchesters avanciert, während sie vor einigen Jahren ihre halbe auf eine viertel Orchesterstelle reduziert hat, um Kinder, Kammerphilharmonie und die eigene Solo-Karriere miteinander vereinbaren zu können. Wobei die beiden Kinder bereits in die Fußstapfen ihrer berühmten Eltern treten: Aljoscha am Cello, Lina auf der Violine. Und damit die Familiengeschichte fortschreiben, denn: „Wir sind damals mit Kirchenmusik aufgewachsen“, erinnert sich Tetzlaff. Ihre Eltern waren begeisterte Laienmusiker: Die Mutter spielte Cello, der Vater arbeitete als Pastor, beide sangen im Kirchenchor. Gute Vorbilder offenbar für die drei Geschwister, denn während sich ihr älterer Bruder Stephan einen Namen als Generalmusikdirektor des Stadttheaters Bremerhaven gemacht hat, zählt Christian heute zu den besten deutschen Geigern.

Ständig auf der Suche nach spannenden Geschichten

Und zu den Lieblings-Kammermusikpartnern seiner Schwester – wie überhaupt die Kammermusik für sie die „Königsdisziplin“ sei. „Und Brahms ist in der Kammermusik mein absoluter Gott“, schwärmt die Cellistin. Erst jüngst ist sie von einer USA-Tournee mit ihrem zweiten Lieblingspartner zurückgekehrt: Lars Vogt. Mit dem Pianisten verbindet sie obendrein das Engagement für das Schulprojekt „Rhapsody in School“. Dass immer weniger öffentliches Geld für Musikunterricht zur Verfügung stehe, sei fatal: Lasse sich doch an den neugierigen und offenen Reaktionen der Schüler erkennen, „dass das Vorurteil, unsere Musik sei langweilig, einfach nicht stimmt“, sagt sie mit Nachdruck. „Ganz im Gegenteil: Es gibt viel an spannenden Geschichten zu erleben.“ Tanja Tetzlaff ist zweifellos eine davon.

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