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Porträt Tine Thing Helseth

Spice Girl der Trompete

In Norwegen ist Tine Thing Helseth schon zur Volksheldin avanciert – nicht zuletzt, da sie keineswegs allein in der Klassik zuhause ist

vonJakob Buhre,

Vor ein paar Jahren war Tine Thing Helseth noch skeptisch gewesen angesichts der Auftrittsmöglichkeiten als Solistin: „Orchester laden einen Trompeter ja höchstens einmal pro Jahr ein“, hatte die Norwegerin da fast ein wenig resignierend festgestellt. Inzwischen dürfte sich das geändert haben, denn Sorgen um einen leeren Kalender muss sich die Blechbläserin immer weniger machen: Hat sie sich doch zum Darling der Trompetenwelt entwickelt – und das keineswegs nur mit klassischer Musik.

1987 in Oslo geboren, griff die kleine Tine erstmals als Sechsjährige zu ihrem Instrument. Vier Jahre später stand sie als Solistin vor ihrem Schul- und als 15-Jährige bereits vor einem Sinfonie-Orchester. Dabei gehörte in ihrer Familie Klassik mitnichten zum Alltag: „Wir haben zuhause jede Art von Musik gehört.“ Und auch in dem Blasorchester, in dem sie in ihrer Jugend spielte, war Klassik nur ein Genre von vielen, neben Marsch-, Jazz- und Popmusik.

So ist es bis heute nicht zuletzt eben diese Vielseitigkeit, die Helseth in ihrer Branche auch auszeichnet: Es kommt vor, dass sie sich an einem Abend mit dem „Tine Thing Helseth Quintet“ Stücke von Dave Brubeck und Astor Piazzolla vornimmt und tags darauf ein Haydn-Konzert interpretiert. In Ihrer Heimat stehen ihr dafür längst alle Bühnen offen: Sie ist Gast-Moderatorin im norwegischen Radio und Fernsehen, veranstaltete 2013 und 2014 ihr eigenes Festival

„Tine@Munch“ im Osloer Munch-Museum, spielte ebenso anlässlich der Friedensnobelpreis-Verleihung wie zur Gedenkfeier für die Opfer der Anschläge 2011 auf der norwegischen Insel Utøya.

In England, wo die norwegische Volksheldin nicht zuletzt für ihre Auftritte bei den Proms gefeiert worden ist, wird sie gern als „Spice Girl der Trompete“ bezeichnet – in Anspielung auf das erfolgreiche britische Pop-Quintett. An dem Vergleich ist tatsächlich etwas dran – und das keineswegs mit Blick auf ihre knallblonden Haare: Zum einen hat Helseth selbst eine „Girlgroup“ gegründet, das zehnköpfige Bläserensemble tenThing, das immer wieder mit ebenso unkonventionellen Programmen wie Arrangements überrascht; zum anderen ist sie in den sozialen Medien ähnlich aktiv wie ihre Pop-Kolleginnen, hält mit Backstage-Fotos und Videos im Netz intensiv Kontakt zu ihren Fans.

Singen mit der Trompete

Und in gewisser Hinsicht ist ja auch die Trompeterin eine Sängerin – zumindest erklärt sie gerne auf diese Weise ihre Interpretationen: „Ich habe bis zum zwölften Lebensjahr im Kirchenchor gesungen. Technisch gesehen ist das natürlich nicht das Gleiche, trotzdem solltest du als Trompeter denken, dass du mit deinem Instrument singst, denn singen ist das Natürlichste was wir tun – und meine Stimme ist die Trompete“, sagt Helseth. Und mit der versuche sie eine Geschichte zu erzählen: „Die wird vielleicht nicht so konkret sein, weil ich keine Worte benutze, aber wenn ein Musiker weiß, was er den Zuhörern geben will, dann wird das bei ihnen ankommen – vielleicht wird es in den Köpfen der Leute dann eine andere Geschichte sein, aber eben eine Geschichte.“

Unbefangenheit ist ihre Stärke

Ein Ansatz, den die Musikerin auch mit ihrer Solo-CD „Storyteller“ unterstrichen hat, auf der sie ganz unterschiedliche Liedkompositionen versammelte. Generell zeigt sie sich im Umgang mit Tradition, Repertoire und Publikum deutlich unbefangener als Kollegen der älteren Generation. Zwar passiert es bei ihren Ausflügen in die verschiedenen Genres auch schon mal, dass das Resultat dem Kitsch und Mainstream verdächtig nahe kommt, doch selbst ein klebriges Pop-Arrangement kann ihren feinfühligen, selbstbewussten Ton kaum beeinträchtigen. Ja, eher scheint es umgekehrt der Fall zu sein, dass die 28-Jährige mit ihrer ungekünstelten Spielweise neue musikalische Bereiche befruchten und erschließen kann, die dem konservativen Ohr sonst vielleicht verborgen geblieben wären.

„Musik ist Musik, egal ob Klassik oder Pop, wir können von allem etwas lernen“, sagt Helseth. „Wenn jemand einen Rocksong schreibt, den die Leute auch nach 50 Jahren noch singen oder vor sich hin summen, beeindruckt mich das genauso wie eine Sinfonie.“

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