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Essay Benedikt Stampa

Vermarktung von Komplexität

Nicht oberflächliche Vermittlung, sondern geeignetes Marketing bringt Publikum – eine Entgegnung

vonBenedikt Stampa,

Vor einigen Jahren wurde der damalige Sender NDR 3 in NDR Kultur umgetauft. Mit dieser Namens-umbenennung ging eine „inhaltliche Reform“ einher. Die Sender nannten diese Reform „Innovation“. Nicht länger sollten Tag um Tag immer die gleichen Werke der klassischen Musik unkommentiert und für den geneigten Hörer viel zu lang dahinklingen. Mit sinnigen Moderationen junger Sprecher, mit der Aufspaltung der Sätze in kleine Häppchen, mit „Musikfarbe“ und anderen chirurgischen Eingriffen wollte man, genau, junges Publikum an den Sender binden, die Zielgruppen erweitern und „näher“ herankommen an den Hörer. Wenn es damals das Wort „Partizipation“ schon gegeben hätte, wäre auch hier einiges passiert. Einige Jahre später. Mein Weg führt mich regelmäßig aus dem Ruhrgebiet in Richtung Norden. Irgendwann kurz nach der Raststätte „Dammer Berge“ wechselt der Sender von meinem vertrauten WDR 3 auf eben diesen reformierten Sender NDR Kultur – und mich graust es jedes Mal.

Dafür bekommt der NDR Rundfunkgebühren? Mich schaudert es, wenn ich diesen Sender höre. Er ist ein reiner „Klangfarbensender“ geworden. Die Werke werden zerstückelt gesendet, bunt zusammengewürfelt scheint die Auswahl (obwohl ich weiß, dass ein ausgefeiltes Computerprogramm hinter dem Programmmix steckt), unerträglich klingen die Wohlfühlstimmen der Moderatoren. Barock-Arien folgen auf Filmmusik, die wiederum auf chillige Lounge-Musik. Ab und zu dann ein Satz aus Carl Maria von Webers Klarinettenkonzert und zum Schluss David Garrett. Musik garantiert fusselfrei.

Ob Radio oder Konzert – das Programm darf und soll anspruchsvoll sein

Aber man ist ja angeblich nahe dran am Hörer. Hier wurde eine „Idee“, hier wurde ein, ja, ich nenne es so, „Kulturgut“, auf dem Altar der Anbiederung geopfert. Denn die Reichweiten von NDR Kultur haben sich in den nachfolgenden Jahren nicht signifikant verbessert. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sollte sich anders anhören.

Und damit bin ich bei meinem Thema: Intendanten sind für das Programm und dessen Verbreitung zuständig und verantwortlich. Egal ob sie einem Orchester, einem Konzerthaus, einer Oper oder einer Rundfunkanstalt vorstehen und egal, wie groß ihre Institution ist und wie viel Subventionen sie bekommen.

Das Programm sollte dabei im Vordergrund aller Bemühungen stehen. Was aber ist ein gutes Programm, und wie stelle ich es in den gesellschaftlichen Kontext? Welche Formen der Vermittlung wende ich an und wer ist mein Adressat? Und hier trennen sich die Wege. Der NDR schlug den Weg der „Verharmlosung“ ein und verlor. Klassik als Klangfarbe, als Hintergrundmusik, als Begleiter durch den Tag und als Soundtapete.

„Barrieren abbauen“ und „Hemmschwellen zu senken“, war und ist die Devise der großen „Vereinfacher“. Holger Noltze hat in seinem wegweisenden Buch „Die Leichtigkeitslüge“ diese Haltung als das entlarvt, was sie ist: zynisch.

Musikvermittlung kann den eigentlichen Konzertbesuch nicht ersetzen

Denn mit der Vereinfachungsstrategie vieler Programmverantwortlicher ging eine Verramschung des „Produkts“ Klassik einher. Pointiert formuliert wurde „Vermittlung“ wichtiger als das Hören des eigentlichen Werkes, ersetzten Babykonzerte den eigenen Konzertbesuch der Eltern, man war ja schließlich im Konzert (und das reicht dann für die nächste Zeit). Partizipation, also die aktive Teilhabe am Konzertgeschehen, „innovative“ Formate und das Aufbrechen von Ritualen werden gefordert, um „relevant“ zu bleiben.

Wie spricht man das Publikum der Zukunft an? 

 

concerti-Redakteurin Friederike Holm diskutiert über Innovationen im Konzertleben.

Auf den Inhalt komme es an, meint der Intendant der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern Markus Fein.

Elmar Lampson findet: „Studenten sollten nicht nur zu guten Musikern, sondern auch zu exzellenten Vermittlern ausgebildet werden.“

Form Follows Function: „Wir müssen kreativere Formen erschaffen, damit klassische Musik weiterhin ein Publikum findet“, fordert Folkert Uhde.

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