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Porträt Yefim Bronfman

Mit Kopf und Herz

Yefim Bronfman ist ein kultivierter Tastenlöwe

vonChristian Schmidt,

Wenn Yefim Bronfman aufs Podium kommt, betritt ein Weltstar die Bühne, der so gar nichts auf die Allüren eines gefeierten Lieblings gibt. Bronfman, 1958 in der usbekischen Hauptstadt Taschkent geboren, die damals noch zum sowjetischen Weltreich gehörte, setzt sich mit diszipliniert geradem Rücken an die Tastatur und vertraut seiner Tagesstimmung. „Ich lasse es gern darauf ankommen, keine noch so gut vorbereitete Interpretation kann für die Ewigkeit gedacht sein. Für mich hängt vieles von meiner Stimmung ab, vom Klavier, vom Saal, vom Publikum“, sagt er.

Dabei hat er viel zu üben und neu zu lernen, denn Bronfman macht beim Standardrepertoire nicht Halt. 2009 brachte er das für ihn geschriebene Klavierkonzert seines Dirigentenfreundes Esa-Pekka Salonen zur Uraufführung, Jörg Widmanns ihm gewidmete XI Humoresken studierte er praktisch über Nacht ein.

Heutzutage firmiert „Fima“, wie ihn seine Freunde nennen und wie er sich selbst im schönsten Understatement auf seiner Internetseite bezeichnet, als US-amerikanisch-israelischer Pianist. 14jährig war er mit seiner Familie nach Israel emigriert, seit den 70er Jahren lebt er in einem Apartment an der New Yorker Upper West Side. Tatsächlich vereint Bronfman aber alle Tugenden eines russischen Konzertpianisten mit denen eines weltmännischen Musikers. Schon Leon Fleisher, Bronfmans Lehrer am Curtis Institute in Philadelphia, attestierte seinem Studenten einen „außerordentlichen Tiefblick in fast jeden Musikstil“ und einen „absoluten Willen, Kopf und Herz gleichermaßen zu benutzen“.

Technische Schlagkraft und emphatischen Ton brachte Bronfman ebenso mit wie ein ständiges Befragen der Musik nach ihren Inhalten und doppelten Böden. So war Stilsicherheit im technokratischen Sinne Bronfmans Sache nie, er erforscht nach eigener Aussage immer das Filet unter der Kruste: „Ich glaube nicht an Traditionen. Wir schleppen sie nur mit. Oft wird darüber die Substanz vergessen, und nach der suche ich. Daher versuche ich, die Musik anders zu spielen, als es üblich ist. Das ist aber kein Selbstzweck, sondern so, wie ich sie empfinde.“

Den ersten Klavierunterricht erhielt der siebenjährige Yefim von seiner Mutter. Der Vater, dessen Karriere im Zweiten Weltkrieg durch Kriegsgefangenschaft in Deutschland unterbrochen worden war, spielte als Konzertmeister im Taschkenter Opernorchester und unterhielt Freundschaften zu Emil Gilels und David Oistrach. „Musik war immer um mich herum. Meine Schwester lernte bei meinem Vater das Geigenspiel, ich war oft in der Oper und konnte schon als Schulanfänger die meisten Partien mitsingen“, erinnert sich Bronfman. Mit zwölf Jahren trat er selbst auf und spielte Rachmaninows erstes Klavierkonzert. Auch wenn man ihn heutzutage hört: Das prägte ihn mehr, als Agenturen, PR-Leute und nicht zuletzt er selbst glauben machen wollen. Freilich – die Sporen verdiente er sich nach der Emigration der Familie in Tel Aviv, an der Juilliard School und eben am Curtis Institute. „Ich führe das typische kosmopolitische Leben eines internationalen Konzertpianisten.“ Nach Taschkent ist Bronfman nie wieder zurückgekehrt. Er wurde erst im Ausland das, was man einen Tastenlöwen nennt. Aber einen, der kultiviert brüllt.

Album-Tipp

Album Cover für
Brahms & Saint-Saëns: Klavierkonzerte Nr. 2 Yefim Bronfman (Klavier), Israel Philharmonic, Zubin Mehta (Leitung) Helicon Classics

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