Nominiert zum „Publikum des Jahres 2021“: Berliner Philharmoniker
Seit 140 Jahren treu ergeben
Das Publikum der Berliner Philharmoniker findet man nicht nur in ihrer Heimstätte, sondern auch in den Wohnzimmern der Welt.
© Stephan Rabold

Berliner Philharmoniker mit Chefdirigent Kirill Petrenko
Na gut, ganz so schnell wie die Fans von Beyoncé Knowles waren sie dann doch nicht. Die schafften es vor elf Jahren, innerhalb von 22 Sekunden alle Tickets für ein Konzert in New York aufzukaufen. Aber drei Minuten sind auch beachtlich: Diese Zeitspanne brauchte es, bis alle Karten für ein Probekonzert im März letzten Jahres ihre Besitzer fanden. Damals startete der Kultursenat der Hauptstadt das „Pilotprojekt Testing“, im Rahmen dessen mehrere Kulturinstitutionen ausloteten, ob mit dem Einsatz von Schnelltests Veranstaltungen mit Publikum ohne Corona-Ausbrüche möglich sind. In der Philharmonie gab es bei tausend verkauften Tickets nur 43 No-Shows, was zeigt, welche Entzugssymptome die Fans der Berliner Philharmoniker hatten nach Monaten ohne Livemusik.
Dass die Treue des Publikums vom ersten Tag an währte, ist keine Übertreibung: Bereits im Gründungsjahr des Orchesters, 1882, führte der Konzertagent Hermann Wolff Abonnementkonzerte ein. Damit zollte er explizit den gebildeten Musikliebhabern Tribut, denn damals bestritt man den größten Teil der Einnahmen mit eher leichter Muse. Heute richtet sich der Löwenanteil der Konzerte freilich an ein, diplomatisch ausgedrückt, klassikaffines Publikum. Dennoch haben die Philharmoniker nie damit aufgehört, ein Orchester für alle Menschen zu sein. Jährlich am 1. Mai veranstaltet man das „Europakonzert“ an einem kulturgeschichtlich bedeutenden Ort außerhalb Berlins, außerdem locken die Philharmoniker jedes Jahr 20.000 Menschen in die Berliner Waldbühne mit einem populären Programm.
Haben leidenschaftliche Fans rund um den ganzen Erdball: die Berliner Philharmoniker
In den vergangenen 140 Jahren schaffte es das Orchester, musikalische Spitzenklasse mit Publikumsnähe zu verbinden. Wobei die Besucher in der Ära Hans von Bülows, die von 1887 bis 1892 währte, ein durchaus hartes Regiment erdulden mussten. Der Dirigent untersagte etwa den Verzehr von Speisen und Getränken sowie den Genuss von Rauchwaren während des Konzerts. Doch als Gegenleistung boten er und die Musiker ein Niveau, das international seinesgleichen suchte. Arthur Nikisch wiederum verschaffte dem Orchester durch zahlreiche Konzertreisen eine Anhängerschaft weit über die Grenzen Berlins hinaus. Dass die Philharmoniker leidenschaftliche Fans rund um den ganzen Erdball haben, ist aber vor allem Herbert von Karajan zu verdanken. Seine Leidenschaft für Tontechnik führte dazu, dass er und das Orchester Unmengen an Schallplatten und CDs aufnahmen, die dann weltweit ihre Abnehmer fanden. Unter Simon Rattle wurde diese Tradition fortgesetzt mit der Digital Concert Hall, einer Online-Plattform, auf der seit 2008 zahlreiche Livemitschnitte zur Verfügung stehen. Die Berliner Philharmoniker sind also mitnichten ein Orchester für die happy few, die die heißbegehrten Tickets für die Konzerte in der Philharmonie oder in den Metropolen der Welt ergattern. Sie sind vielmehr ein Orchester, das sein Publikum auch in den Wohnzimmern von Tokio bis Rio de Janeiro hat.
Termine
Berliner Philharmoniker, Daniel Harding
Berliner Philharmoniker, Daniel Harding
R. Strauss: Die Frau ohne Schatten
Diana Damrau, Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko
Händel: II Trionfo del Tempo e del Disinganno
R. Strauss: Die Frau ohne Schatten
Diana Damrau, Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko
R. Strauss: Die Frau ohne Schatten op. 65 (konzertant)
Elza van den Heever (Kaiserin), Clay Hilley (Kaiser), Michaela Schuster (Amme), Wolfgang Koch (Barak), Miina-Liisa Värelä (Färberin), Cantus Juvenum Karlsruhe, NFM Choir Wroclaw, Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko (Leitung)
Berliner Philharmoniker, Klaus Mäkelä
Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 54, Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74
Berliner Philharmoniker, Klaus Mäkelä
Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 54, Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74
Rezensionen
Rezension Rudolf Buchbinder – Beethoven
Kein Originalitätspreis
Rudolf Buchbinder kennt natürlich seinen Beethoven aus dem Effeff, aber da kann man auch gleich auf seinen Zyklus mit den Wiener Philharmonikern zurückgreifen. weiter
CD-Rezension Bernstein: Sinfonie Nr. 2 „The Age of Anxiety“
Genaue Kenntnis
Alles soll so sein, wie es hier klingt: Mit Sir Simon Rattle steht Krystian Zimerman außerdem ein Dirigent zur Seite, der sich auch auf Bernsteins Zwischentöne versteht weiter
CD-Rezension Nikolaus Harnoncourt: Schubert - Sämtliche Sinfonien, Messen, D 678 & D 950, Alfonso und Estrella
Ganz wienerisch
Wertvoll und aufwendig: Die Berliner Philharmoniker mit einem neuen Schubert-Zyklus unter Nikolaus Harnoncourt weiter