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Blickwinkel: Hein Mulders

„Wir können nicht alles auf das Publikum abwälzen“

Wie geht große Oper in Krisenzeiten? Hein Mulders, Intendant der Oper Köln, über zögerndes Publikum, die Notwendigkeit von Repertoireklassikern und die langersehnte Wiedereröffnung der Oper Köln nach der Sanierung.

vonJohann Buddecke,

Herr Mulders, Sie sind frischgebackener Intendant an der Kölner Oper, übernehmen also in unruhigen Zeiten ein großes Haus. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die gerade angelaufene Spielzeit denken?

Hein Mulders: In meinem Kopf gehen sehr viele Dinge herum. Ich habe aber im Laufe der Jahre etwas Erfahrung aufgebaut und denke, dass man pragmatisch mit jeder Situation umgehen sollte.

Vielerorts kämpfen Opern- und Konzerthäuser mit rückläufigen Kartenverkäufen. Wie ist die Lage an der Oper Köln?

Mulders: Die Lage ist auch in Köln nicht einfach. Man muss da ganz ehrlich sein. Wir hoffen natürlich, dass die Leute zurückkommen. Ein großer Teil ist sicher noch vorsichtig. Durch den zweijährigen Einschnitt haben wir sicher auch einen Teil des Publikums verloren. Das muss man im Blick behalten. Genaueres können wir dazu aber erst in einem halben oder einem Jahr sagen. Die letzten zwei Jahre waren ein kompletter Ausnahmezustand. Dennoch haben wir alle wieder gespielt und das Publikum kam Schritt für Schritt zurück. Allerdings ist es noch nicht so, wie man es sich wünscht und wie es vor der Pandemie war.

Wie ist die Entwicklung bei den Abonnenten?

Mulders: Wir merken, und das war auch vor der Pandemie schon so, dass insgesamt ein Umdenken beim Publikum stattfindet. Vielen Menschen geht es heute um Spontanität oder kurzfristige Planungen. Da passt ein striktes Abo-Konzept nicht wirklich. Dennoch haben wir versucht, unsere Abo-Angebote so attraktiv wie möglich zu gestalten und schauen nun, ob das Publikum darauf anspringt. Einiges ist bereits verkauft, aber auch hier ist es wesentlich weniger als vor der Pandemie.

Welche konkreten Maßnahmen, glauben Sie, sind in diesen Zeiten notwendig, um das Publikum zurück in den Saal zu bekommen?

Mulders: Der Begriff Maßnahmen klingt immer nach einem Plan, demnach in ein paar Schritten alle Probleme behoben werden können. So einfach ist es nicht. Mir war es ganz wichtig, dass wir mit großen Stücken in die neue Spielzeit gehen. Es muss nicht immer „La traviata“, „Carmen“ oder „La Bohème“ sein, aber es ist gut, mit einem breiten Angebot attraktiv für das Publikum zu sein. Natürlich sind auch einige spezielle Sachen dabei wie „Der Zwerg/Petruschka“ oder „Les Troyens“. Zusammengefasst ist es in dieser Situation sehr wichtig, die große Oper anzubieten.

Nach der Pandemie ist die Kulturbranche mit weiteren Problemen konfrontiert. Die Energiekrise trifft viele Häuser hart. Welche Folgen ergeben sich für das Publikum daraus?

Mulders: Wir werden hausintern auf eine Temperatur von 19 Grad gehen im Winter. Wir versuchen so bewusst wie möglich mit dem Thema umzugehen. Im Hinblick auf die gestiegenen Kosten wird eine Anpassung der Eintrittspreise in den kommenden Jahren notwendig sein. Aber das machen wir Schritt für Schritt. Wir können nicht alles auf das Publikum abwälzen. Die Preise sollen jetzt im Moment erst mal stabil bleiben.

Wie sieht es aktuell beim Kinderoper-Angebot aus?

Mulders: Das Angebot wird teilweise aus öffentlichen Geldern gefördert, wir als Haus investieren aber auch selbst sehr viel. Durch steigende Kosten und durch Entwicklungen in den Gagenstrukturen wird es natürlich schwieriger. Das Angebot soll aber im selben Umfang fortbestehen.

Die Oper Köln steht durch die jahrelange Sanierungsphase und die dadurch entstandenen Kosten – auch für die Interimsspielstätte – im besonderen Fokus. Das zögerliche Publikum auf der einen Seite und die milliardenschwere Sanierung auf der anderen – wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Mulders: Das ist selberverständlich keine schöne Situation, aber man sollte versuchen, es nicht zu dramatisieren. Das Ende dieser Phase ist in Sicht, und glücklicherweise drückt das Budget für die Sanierung nicht auf den künstlerischen Betrieb. Zudem wurde die Interimsspielstätte gut angenommen, obwohl es für uns als Theatermacher dort herausfordernder aufgrund der technischen Einschränkungen ist. Dennoch finden wir immer wieder spannende Lösungen.

Wie schätzen Sie die kommenden Wintermonate ein. Welche Herausforderungen sehen Sie auf die Oper Köln zukommen?

Mulders: Ich glaube, wir brauchen alle eine Extradecke (lacht). Ich freue mich aber insgesamt auf die Saison. Wir haben insbesondere ein schönes Weihnachtsprogramm mit „La Cenerentola“ als Neuproduktion und die Wiederaufnahme von „La Bohème“. Ich habe vollstes Vertrauen, dass die Oper wieder mehr Zuspruch erhält.

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