Startseite » Interviews » Blickwinkel » „Wir sollten uns darauf besinnen, was uns Menschen miteinander verbindet“

Blickwinkel: Tenor Peter Lodahl über die Daphne Awards

„Wir sollten uns darauf besinnen, was uns Menschen miteinander verbindet“

Die Danish Research Foundation ruft die weltweit höchstdotierten Musik- und Wissenschaftspreise ins Leben. Der dänische Tenor und Produzent Peter Lodahl ist Sprecher der Daphne Awards.

vonSören Ingwersen,

Peter Lodahl zählt zu den profiliertesten dänischen Tenören seiner Generation. Nach Studien in Aarhus und Kopenhagen führten ihn feste Engagements an das Theater Kiel, die Komische Oper Berlin und später ans Königlich Dänische Theater, wo er zudem ab 2018 Orchesterdirektor der Kopenhagener Philharmoniker wurde. Neben Gastauftritten an Häusern wie der Semperoper Dresden, der Staatsoper Hamburg oder der Oper Oslo sowie zahlreichen Konzertprojekte mit skandinavischen Spitzenorchestern prägt Kulturmanagement zunehmend das Profil des Sängers.

Anzeige

Die 1992 gegründete Danish Research Foundation verleiht am 14. Mai 2026 zum ersten Mal die Daphne Awards. Dabei werden die Bereiche Musik und Wissenschaft bedacht. Was ist der Gedanke hinter der Verknüpfung dieser unterschiedlichen Disziplinen?

Peter Lodahl: Die Stiftung hat von jeher sowohl die Musik als auch die Wissenschaft gefördert, und auch das Königliche Theater Kopenhagen und die Lumbye-Akademie der Kopenhagener Philharmoniker unterstützt, als ich noch Musikdirektor des Orchesters war. Als wir die Idee hatten, einen Musikpreis auszuloben, lag es nahe, ihn mit einem Wissenschaftspreis zu koppeln, um so auch eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.

Wobei in letzter Zeit auch immer öfter wissenschaftliche Vorträge mit Musik gekoppelt werden …

Lodahl: Ich finde das ganz wunderbar, und im Grunde ist es auch keine neue Idee. In der Renaissance spielte die Familie Medici als Mäzen für Kunst und Wissenschaft eine entscheidende Rolle, und auch der Universalgelehrte Leonardo da Vinci war in beiden Bereichen aktiv. Dahinter steht die Idee, dass Kunst und Wissenschaft die beiden tragenden Säulen der Gesellschaft sind, ein Gedanke, der gerade heute, wo die Welt so fragmentiert und von politischen Umbrüchen gekennzeichnet ist, wieder mehr ins Zentrum rücken sollte. In einer Zeit, in der der Krieg zur realen Bedrohung wird, ist es gut, sich darauf zu besinnen, was uns Menschen miteinander verbindet.

Mit einem Gesamtpreisgeld von 850.000 Euro sind die Daphne Awards die weltweit höchstdotierten Musikpreise und ziehen fast mit dem Nobelpreis gleich. Möchte man sich in Kopenhagen mit Stockholm messen?

Lodahl: Einen direkten Vergleich streben wir nicht an. Aber die Summe soll Aufmerksamkeit schaffen und die Seriosität der Preise unterstreichen, von denen wir uns eine globale Wirkung erhoffen. Lang Lang, der den ersten, mit 650.000 Euro dotierten Daphne Music Award erhält, ist ja nicht nur ein Weltstar, sondern hat über Jahre hinweg auch seine philanthropische Seite entwickelt und mit seiner Stiftung zehntausenden Kindern aus benachteiligten Verhältnissen Zugang zu Musikunterricht ermöglicht.

Gibt es vonseiten der Danish Research Foundation bestimmte Erwartungen oder Wünsche, wie das Preisgeld verwendet werden soll?

Lodahl: Wir haben keinen Einfluss darauf, wohin das Geld fließt, achten aber darauf, dass die nominierten Künstler den Willen haben, Dinge zu verändern und Einfluss zu nehmen auf die aktuelle Welt. Mit seinen Programmen „Keys of Inspiration“ und „Music Heals“ ist Lang Lang ein großartiger Botschafter und ein Vorbild für die ganze Branche, weil er sozusagen den Fahrstuhl, mit dem er selbst nach oben gefahren ist, auch wieder nach unten schickt.

Anzeige

Wie setzt sich die Jury der Daphne Awards zusammen?

Lodahl: Wir arbeiten nicht mit einer klassischen, öffentlichen Jury. Stattdessen stützt sich das Verfahren auf einen internationalen Pool ausgewiesener Expertinnen und Experten – führende Musiker, Dirigenten, künstlerische Leiter und Leiterinnen sowie Musikkritiker –, die jeweils unabhängig voneinander ihre fachliche Einschätzung abgeben. Dieses Modell eröffnet eine breitere und zugleich spezialisiertere Perspektive als eine traditionelle Jurystruktur und wahrt ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Integrität im Auswahlprozess.

Wie viele Kandidaten kamen in die Vorauswahl?

Lodahl: Zunächst wurden 25 bis 30 Namen zusammengetragen. Durch diesen qualifizierenden Prozess blieben am Ende rund fünf Kandidatinnen und Kandidaten übrig, jeweils mit einer fachlichen Begründung für ihre Nominierung. Diese Vorschläge werden der Danish Research Foundation vorgelegt, die daraufhin eigenständig die endgültige Entscheidung über die Preisträger trifft.

Die beiden mit jeweils 100.000 Euro dotierten Next Generation Awards erhalten die spanische Sopranistin Serena Sáenz und der chilenische-US-amerikanische Tenor Jonathan Telelman. Warum zwei Sänger?

Lodahl: Zur allerersten Preisverleihung wollte die Stiftung gerne zwei Musizierende vom selben Fach auszeichnen. Man hat sich für das Fach Gesang entschieden, wobei es etwas anmaßend ist, die beiden als Nachwuchskünstler zu bezeichnen, da sie ja schon große Schritte auf ihrem Karriereweg zurückgelegt haben.

Es gibt keine Altersgrenze für den Next Generation Award?

Lodahl: Damit würden wir gerade bei Sängern Probleme bekommen, weil diese sich oft erst spät entwickeln. Nehmen Sie einen romantischen Wagner-Sänger, der blüht meist erst mit 45 oder 50 Jahren richtig auf. Auch wenn ein Sänger schon voll etabliert ist, kann er die besten Jahre noch vor sich haben.

Warum wurden bei der ersten Preisverleihung nur Musiker bedacht? Sind 2027 die Wissenschaftler dran?

Lodahl: So ist es. Wir haben sozusagen die Autobahn gebaut, während wir darauf fahren. Aber schon im nächsten Jahr werden wir Veranstaltungen anbieten, die auf dem hybriden Feld zwischen Wissenschaft und Musik angesiedelt sind. Man weiß, dass gemeinsames Singen den Puls senken kann oder bei klassischer Musik mehr Glückhormone ausgeschüttert werden als beim Yoga. Vielleicht können wir diese Thesen im Praxistest erhärten.

Anzeige

Auch interessant

Rezensionen

Anzeige

Video der Woche

Vier Ensembles. Ein Unternehmen. Musik für alle.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Vimeo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Aus Liebe zur Musik: Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen der Rundfunk Orchester und Chöre gGmbH Berlin. Der Ensemble-Verbund teilt in seinem neuen Imagefilm einen Einblick in den innovativen Transformationsprozess des Unternehmens und zeigt, wie er Musik, Digitalisierung, Wirkung, Unternehmenskultur und Nachhaltigkeit miteinander verknüpft.

Anzeige
  • „Man muss gefährlich leben“
    Interview Helmut Lachenmann

    „Man muss gefährlich leben“

    Helmut Lachenmann lässt sich mit jedem Werk auf ein neues Abenteuer ein. Im November feiert der Meister der experimentellen Musik seinen 90. Geburtstag.

Anzeige

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!

Anzeige