…Schallplatten (die neue CD „Dramma“ von Simone Kermes beginnt mit dem für Vinyl typischen Knacksen)
Ich bin ein großer Vinyl-Fan. Beim Hören ist das echter, nicht so abgeleckt wie eine CD, sondern wärmer und natürlicher. Außerdem hat man etwas in der Hand, eine große Hülle mit großem Bild. Bei meiner letzten CD „Lava“, die ich selbst produziert habe, war es deswegen auch mein großer Wunsch, dass wir eine Vinylplatte davon pressen, die gibt es zu kaufen. Wir hören zuhause auch viel Schallplatten, wobei dass dann größtenteils Rock- oder Popmusik ist. In meiner Jugend habe ich mir immer Klassik-Schallplatten aus der Bibliothek ausgeliehen, zum Beispiel Aufnahmen von Maria Callas oder Lucia Popp.
…Musikerziehung in der DDR
Das Problem, dass die Jugendlichen der Klassik fernbleiben, das gab es damals eigentlich nicht. Ich erinnere mich, dass wir oft mit der Schulklasse ins Konzert gegangen sind, ins Gewandhaus in Leipzig, oder in die Oper. Das war auch Pflicht. Außerdem war es sehr preiswert, billiger als ein Kinobesuch, es wurde halt stark subventioniert.
Ich denke auch, dass Talente in der DDR besser gefördert wurden als heute. Jeder, egal ob arm oder reich, hatte eine Chance, jeder konnte sich Musikunterricht leisten. Ich hatte sehr gute Lehrer, und weil die äußerst streng waren, habe ich bei denen viel gelernt. Heute habe ich dagegen das Gefühl, dass vielen Eltern der Fun-Aspekt wichtiger ist, sie wollen einfach nur, dass ihre Kinder Spaß haben.
…den 9.November 1989
Den Tag hätte ich beinahe verpennt. Wir haben an dem Tag die Wohnung gemalert, wir hatten auch den Fernseher nicht eingeschaltet – bis eine Studienkollegin an der Tür klingelte und sagte: „Wir fahren am Wochenende nach München, wo fahrt ihr denn hin?“ Ich dachte erst, sie macht einen Scherz, dann haben wir den Fernseher angemacht und ich habe erstmal Rotz und Wasser geheult. Wir sind anschließend nach Berlin gefahren. Am 11.11. um 11Uhr 11 – davon habe ich noch den Stempel in meinem alten Personalausweis – sind wir dann über den Checkpoint Charlie.
…das leckerste DDR-Produkt
Ich hatte gerade ein Konzert in Bad Lauchstädt, dort war ich dann auch in der Kaufhalle und habe eine Flasche Worcestersauce nach Dresdner Art gekauft. Und wir haben in einem Restaurant Soljanka und Würzfleisch gegessen, Ragout fin. Im Original ist das ja eigentlich Kalbsfleisch, aber da es das im Osten nicht gab, hat man Hähnchen genommen. Das wird mit Käse überbacken und dazu gehört natürlich die Worcestesauce. Dieses Gericht war schon typisch Ost, das hat man in allen Mitropas gekriegt, mal gut mal schlecht, und das konnte sich jeder leisten.
…Sänger-Doping
Um fit zu sein, brauche ich viel Schlaf. Eine gesunde Ernährung ist wichtig, nicht zu viel Alkohol, und ich mache seit einem Jahr Metabolic Balance, dadurch habe ich etwa neun Kilo abgenommen. Man muss bei diesem Diätprogramm allerdings sehr diszipliniert sein, man kann nicht alles essen, man muss zwischendurch fünf Stunden warten, Pasta und Pizza geht nicht… – man nimmt fast keine Kohlenhydrate zu sich.
Bei Konzerten nehme ich ab und zu Vitamintabletten, das hilft, wenn man ein wenig erschöpft ist. Und für die Pause habe ich immer einen Apfel und eine Banane dabei.
…Ersteinspielungen
Ich finde es toll, wenn man die erste ist, die eine Arie nach 250 Jahren wieder singt, wenn man Stücke findet, die einfach so schön sind, die aber niemand kennt. Ich frage mich dann: Warum ist noch so vieles unentdeckt, warum machen sich andere diese Arbeit nicht?
Bei Ersteinspielungen kannst du das Stück wieder neu beleben, es gibt keinen Vergleich sondern du musst die Interpretation ganz neu erfinden. Das fasziniert mich. Es ist natürlich mit viel Arbeit und Mut verbunden, aber es ist auch ein sehr schönes Gefühl, wenn man diese Musik wieder zum klingen zu bringt, man ist wie auf einer Entdeckungsreise.
…Rockmusik
Die hat einen großen Einfluss auf meine Arbeit, weil ich finde, dass es viele Parallelen gibt, zum Beispiel beim Rhythmus oder diesen ins Ohr gehenden Melodien. Wenn man unter eine Barockarie einen Bass oder ein Schlagzeug legen würde, dann würde man gar nicht merken, dass das so alte Musik ist.
Rammstein, Led Zeppelin oder Queen sind für mich auch Vorbilder, weil sie so tief in ihrer Musik drin sind. Die singen ihre Sachen auswendig, die fühlen das, sind mit ihrem Inneren dabei, während viele in der Klassik die Musik nur abspulen, was es dann oft langweilig macht, wo der Funke nicht überspringt. Du musst von dem, was du tust, so dermaßen berührt sein, damit du andere auch berühren kannst. Und dafür machen wir das ja, wir wollen Menschen erreichen.
…Tätowierungen
Wenn Sie jetzt auf den diesjährigen Skandal von Bayreuth anspielen: ich glaube, dass diese Geschichte vor allem dazu diente, dass die Festspiele mal wieder in die Schlagzeilen kommen. Wenn der Regisseur will, dass ein Sänger mit nacktem Oberkörper singt – was ja häufig vorkommt – dann findet man für jemand, der tätowiert ist, eigentlich immer eine Lösung.
Ich habe für meine neue CD auch ein Foto gemacht, auf dem ich tätowiert bin, mit alter Schrift und barocker Verzierung. Aber das haben wir aufgemalt, ich bin nicht tätowiert. Heute machen das ja viele Jugendliche, wo ich mich dann allerdings immer frage, wie das wohl aussieht, wenn die mal alt sind?
…Kleiderwahl
Das ist nicht einfach. Erst gestern war ich bei meiner Schneiderin, weil ich wieder ein neues Kleid brauche. Das eine Kleid war jetzt schon in allen Zeitungen, das kann ich erstmal nicht mehr anziehen. Die Leute erwarten das glaube ich auch, dass man nicht immer das gleiche anhat. In Baden-Baden habe ich dieses Jahr eine Gala gesungen und mich an dem Abend vier mal umgezogen. Insgesamt habe ich etwa 15 Kleider, den Stil würde ich als eine Mischung aus Barock und Punk a la Vivienne Westwood oder Alexander McQueen beschreiben. Farben sind mir sehr wichtig und man braucht natürlich auch gute Stoffe. Die kaufe ich meistens selbst, in einem Geschäft in Verona, wo ich mittlerweile Stammkundin bin.
Und es kommt darauf an, was für ein Programm man singt. Zum Beispiel habe ich ein glitzerndes lila Kleid, das ich mir extra für die Arie „Glitter and be gay“ aus Bernsteins „Candide“ habe schneidern lassen.
…Charaktereigenschaften, die für Opernsänger typisch sind
Ich sehe mich eigentlich nicht als Opernsänger, denn ein paar Sängereigenschaften kann ich nicht wirklich leiden. Es gibt viele, die immer rumsingen, überall, wo eine gute Akustik ist, zum Beispiel im Treppenhaus. Die summen ständig vor sich hin oder sprechen ganz gekünstelt auf Stütze. Viele sind auch nur mit sich selbst beschäftigt, was aber vielleicht auch eine Fassade ist, um sich zu schützen. Es kommt nicht so oft vor, dass man Sänger trifft, die wirklich Kumpels sind, die normal geblieben sind, die auch anderen etwas gönnen. Neid ist in diesem Beruf leider weit verbreitet, es gibt Intrigen – so etwas mag ich nicht. Und je weiter du kommst, je mehr du Erfolg hast, desto extremer wird das.
…rote Haare
Also, ich bin nicht natur-rot, sondern ich habe diese Farbe gewählt. Mein Mann sagt immer, die Rothaarigen haben Temperament und Feuer. Viele haben auch Angst vor Rothaarigen, eher als vor Blonden. Es ist schon eine sehr auffällige Farbe, man ist schneller im Vordergrund und dazu muss man auch stehen. Man muss aber auch damit rechnen, dass es nicht bei allen positiv ankommt.
…Geburtsjahrgänge von Sopranistinnen (die nur selten bekannt sind)
Ja, das ist schon so ein schwarzes Tuch. Unsere Gesellschaft funktioniert nun mal so, dass alle immer ganz jung sein müssen, man kann kaum noch in Würde alt werden, deswegen spricht man darüber nicht gerne. Ich hoffe, es kommen wieder andere Zeiten, wo man andersherum denkt, wo man zu seinem Alter stehen kann.