Er ist der große Unbekannte. Zwar tauchen Werke von ihm im Musikleben auf, etwa die „Fantasia contrappuntistica“, das „Konzert für Klavier und Orchester mit Männerchor“ oder seine Oper „Die Brautwahl“. Auch berufen sich bis heute Komponierende auf seine Schrift „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“. Aber geläufig ist Ferruccio Busoni (1866–1924) dem Publikum nicht. Mit ihrer neuen Monografie bringt ihn uns die Musikwissenschaftlerin Marina Schieke-Gordienko endlich nahe. Die Autorin, die anschaulich und lebhaft erzählen kann, ist Expertin, schließlich betreut sie an der Berliner Staatsbibliothek den Busoni-Nachlass. So fächert dieses Buch kompakt ein pralles Lebensbild mit einer Fülle an Fakten zur Musik und zum Denken des Künstlers sowie zum Kontext auf.

Geschildert wird das Aufwachsen in der K.-u.-k.-Hafenstadt Triest und wie Ferruccio als Wunderkind bereits für den Unterhalt seiner Eltern sorgen muss. Die Ausbildungs- und Wanderjahre zwischen Wien, Graz, Leipzig, Helsingfors, Moskau werden beschrieben, das Wirken als Bach-Bearbeiter und -Herausgeber, die USA-Tourneen als Pianist. Es gibt viele Details zum Leben als Komponist und Hochschullehrer in der Wahlheimat Berlin, unterbrochen vom Exil während des Ersten Weltkriegs in Zürich. Dargelegt wird natürlich auch das Engagement für die Neue Musik, dabei auch das nicht ganz konfliktfreie Verhältnis zu Schönberg. Spannend ist zudem das letzte Kapitel „Das Vermächtnis“, das reflektiert, was von Busoni heute nachwirkt. Alles sehr erhellend.
Ferruccio Busoni – Pianist und Kosmopolit
Marina Schieke-Gordienko
Edition Text + Kritik, 171 Seiten
24 Euro





