Die Kultur-Wunderbauten der BRD-Nachkriegszeit und des fortgeschrittenen 20. Jahrhunderts kommen ins Jubiläumsalter. Allzu viele Architektur-Legenden gibt es darunter nicht. Zu diesen gehören das Aalto Theater Essen, das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, das Theater Hof … Das Wolfsburger Theater vergisst man manchmal. Denn im Gegensatz zu den anderen Gebäuden spielt man am Scharoun Theater nur wenige Eigenproduktionen und vor allem Gastspiele. Oft kommen Musiktheater, Schauspiel und Tanz von den Staatstheatern Braunschweig und Hannover, aber auch vom (Landes-)Theater für Niedersachsen mit Sitz in Hildesheim und aus Detmold. Die Programmgestaltung ist aus Tradition ambitioniert, die Intendanz übernahm in diesem Jahr (erneut) Rainer Steinkamp.
Das nach ihm benannte Theater ist neben der Berliner Philharmonie der zweite geniale Kulturbauten-Wurf des Architekten Hans Scharoun. Entstehung, Geschichte, Programm und die hohe Wertschätzung spiegeln, wie der steigende wirtschaftliche Wohlstand nach 1949 ein kulturelles Wachstum nach sich zog.
Musikalischer Festakt zum 50-jährigen bestehen des Scharoun Theaters
Seit 1938 wuchs die um das VW-Werk gegründete Stadt Wolfsburg stetig. Ein eigenes Theater sollte sein: 1965 gehörten zu den für den Architekturwettbewerb eingeladenen Spitzenkandidaten auch Alvar Aalto, der für Wolfsburg bereits das Kulturhaus und die Heilig-Geist-Kirche entworfen hatte, und Jørn Utzon, der Architekt des Opernhauses Sydney. Damals zählte Wolfsburg bereits 80.000 Einwohner. Scharoun erlebte allerdings die Inbetriebnahme des Theaters am 5. Oktober 1973 nicht mehr. Das Eröffnungsstück war Henrik Ibsens Schauspiel Nora in einer Inszenierung von Hans Neuenfels.
Nach der umfassenden Sanierung wurde das Gebäude am 24. Januar 2016 wiedereröffnet und im Februar 2017 auf ein Votum des Aufsichtsrats in Scharoun Theater umbenannt. Im Festakt zum 50-jährigen Bestehen am 5. Oktober tritt das Staatsorchester Braunschweig unter seinem Generalmusikdirektor Srba Dinić auf. Fazıl Say ist der Solist für Beethovens drittes Klavierkonzert. Das hoch renommierte Malandain Ballet Biarritz aus Frankreich gastiert mit seiner Choreografie auf Beethovens sechste Sinfonie „Pastorale“ und dessen Cantate op. 112.