Mozart: Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551 „Jupiter“

Das Jahr 1788 war für Mozart von Existenzängsten und Depressionen bestimmt. Seine Schaffenskraft jedoch war ungebrochen – was die Jupitersinfonie beweist

© gemeinfrei

Wolfgang Amadeus Mozart. Gemälde von Barbara Kraft 1819

Wolfgang Amadeus Mozart. Gemälde von Barbara Kraft 1819

Mozart war ausgelaugt. Jahrelange Auftragsakquise und kostspiele Konzertreisen hatten ihn 1788 finanziell und psychisch an den Rand des Ruins getrieben. Dennoch musste es für ihn weitergehen, schließlich galt es eine Familie zu ernähren. Im Sommer begann er in Wien mit der Arbeit an drei großen Sinfonien – die Sinfonie Nr. 41 in C-Dur, KV 551, heute unter dem Beinamen Jupitersinfonie bekannt, sollte seine letzte bleiben. Was genau der Stein des Anstoßes für Mozart war, die umfangreiche Arbeit an drei großen Sinfonien aufzunehmen, ist heute nicht mehr rekonstruierbar. Dennoch kursieren verschiedenen Theorien, dass die Sinfonie etwa für geplante Konzerte im Spätsommer 1788 oder für eine Englandreise im selben Jahr, die aus verschiedenen Gründen nicht zustande kam, vorgesehen waren. Auch die Vermutung, dass Mozart eine großangelegte Opus-Veröffentlichung nach dem Vorbild Joseph Haydns plante, der im Vorjahr ebenfalls drei große Sinfonien – sogar in identischen Tonarten – komponiert und herausgegeben hatte, liegt nahe.

Glänzendes Resultat: Die Jupitersinfonie

Dass die Jupitersinfonie schließlich zu einem der größten Meisterwerke der Wiener Klassik wurde, gleicht, was überlieferte Mozart-Zitate belegen, an ein kleines menschliches Wunder. Wie nämlich aus einem Brief an einen Freund hervorgeht, plagten Mozart während der Kompositionsarbeit tiefe Depressionen: „…ich bin immer zu Hause; – ich habe in den 10 Tagen daß ich hier wohne mehr gearbeitet als in anderen Logis in 2 Monat, und kämen mir nicht so oft schwarze Gedanken (die ich nur mit Gewalt ausschlagen muß) würde es mir noch besser von Statten gehen.“ Seine Schaffenskraft verließ ihn nicht. Die Fertigstellung der Jupitersinfonie trug Mozart am 10. August 1788 in sein handschriftliches Werkeverzeichnis ein.

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Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 41 C-Dur. Beginn des ersten Satzes
Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 41 C-Dur. Beginn des ersten Satzes

Schon die Anlage der Sinfonie, mit einer ausgedehnten Fuge im letzten Satz, eingebettet in einen klassischen Sonatensatz, macht das Werk im musikhistorischen Kontext bis dato einzigartig. Mozarts kompositorische Reife, die sich vor allem durch die Klarheit und Präzision der Musik auszeichnet, zeigt sich bereits zu Beginn im zweiteiligen kontrastierenden Hauptthema und ist in allen vier Sätzen hindurch präsent. Passend dazu resümiert Mathias Husmann in seinen „Präludien fürs Publikum“, dass das Sinfoniefinale in der Musikgeschichte fortan nicht mehr als Kehraus, sondern als Hauptstück betrachtet wurde. Der hohen Kunstfertigkeit des letzten Satzes verdankt das Werk letztlich seinen heutigen Stellenwert – Mozart selbst erlebte den Erfolg seines Werkes jedoch nicht mehr.

Göttliche Erhebung

Ob die Jupitersinfonie noch zu Lebzeiten Mozarts öffentlich aufgeführt wurde, gilt als unwahrscheinlich, möglicherweise jedoch erklang sie am 14. April 1789 erstmals am Dresdner Hof. Sichergestellt ist jedoch, dass ihr heutiger Name nicht auf ihren Schöpfer zurückgeht. Wer hingegen die Sinfonie mit der römischen Gottheit Jupiter in Verbindung brachte ist wiederum nicht belegt. Hier kommt nach einer Aussage des englischen Verlegers Vincent Novello der Konzertveranstalter Johann Peter Salomon in Betracht, andere Quellen gehen jedoch von dem Pianisten Johann Baptist Cramer aus, der dem Werk eine göttliche Vollkommenheit zusprach. Ob mit oder ohne göttlichem Attribut, die Jupitersinfonie trat nach Mozarts Tod ihren weltweiten Triumphzug an – jeglicher Schwermut zum Trotz.

Die wichtigsten Fakten zu Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 41 in C-Dur KV 551, Jupitersinfonie:

Orchesterbesetzung: Querflöte, zwei Oboen, zwei Fagotte, zwei Hörner in C (im zweiten Satz in F), zwei Trompeten in C, Pauken, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass.

Sätze

1. Satz: Allegro vivace
2. Satz: Andante cantabile
3. Satz: Menuetto. Allegretto
4. Satz: Molto allegro

Aufführungsdauer: 30 bis 35 Minuten

Referenzeinspielung

Mozart: Sinfonie Nr. 41 in C-Dur KV 551, Jupitersinfonie

Concentus Musicus Wien
Nikolaus Harnoncourt (Leitung)
Sony Classical

Diese Einspielung Nikolaus Harnoncourts von Mozarts Jupitersinfonie, gemeinsam mit „seinem“ Concentus Musicus Wien, kann als Höhepunkt seiner Auseinandersetzung mit Mozarts Sinfonik gelten. Euphorisch, jedoch ohne Überschwang präsentiert sich der zu jeder Zeit transparente Orchesterklang. Gleichzeitig wird jede Facette der letzten Sinfonie Mozarts detailliert ausgearbeitet.


Buchcover: Präludien für das Publikum von Mathias Husmann(Entstehungszeit 1788)



„Besuchen Sie mich, ich bin immer zu Hause“ – lud Mozart seinen Logenbruder Puchberg ein, den er in akuter Geldnot um Hilfe gebeten hatte. Da Wien Mozart gerade vergaß, fand dieser Muße, drei Sinfonien hintereinander zu schreiben. Dabei kam er „der Welt abhanden“: Hatte er in der Es-Dur-Sinfonie sein Herz ausgeschüttet, in der g-Moll-Sinfonie seinen schwarzen Gedanken freien Lauf gelassen, so konnte er nun plötzlich fliegen: schwerelos in den Olymp des musikalischen Geistes.



Die C-Dur-Sinfonie ist altmeisterlich und avantgardistisch, einfach und groß, kunstvoll und spielerisch – nicht ohne Grund nannte man sie bald Jupiter-Sinfonie. Zu Mozarts Lebzeiten wurde sie wohl nicht gespielt, aber aus ihrem Jupiterkopf – gemeint ist vor allem das polyphon sprühende Finale – zuckten Blitze weit ins 19. Jahrhundert hinein. Das Sinfoniefinale, das kein Kehraus mehr ist, sondern Hauptstück, war erfunden, und zündete in den Köpfen von Beethoven, Brahms, Bruckner und Mahler.



Allegro vivace: Das Hauptthema klopft dreimal an und verbeugt sich. Das gut gelaunte Tutti bittet den Gast herein. Im Seitenthema entwickelt sich eine muntere Unterhaltung (zwischen Violinen und Bässen). Nach einer hochdramatischen Pointe (Generalpause!) schütteln sich alle vor Lachen. Da erscheint ein dritter Gast (Schlussgruppe): ein bezauberndes Wesen, das alle Aufmerksamkeit auf sich zieht und fast die ganze Durchführung beherrscht …



Andante cantabile: Das Hauptthema (Violinen mit Dämpfer) macht ein tiefes Kompliment – und alle Anwesenden stimmen zu (Forte-Akkord). Es folgen eine sehr herzliche Wendung (Oboen) und ein sehr persönlicher Nachsatz (Flöte, Fagott) – dann beginnt ein vertrauliches Zwiegespräch …



Das volkstümliche Menuetto Allegretto hat einen normal entwickelten ersten Teil (16 Takte), dann aber schlägt die Fantasie über die Stränge und findet kein Ende …



Das Trio wirkt gedankenverloren – weilen die Gedanken schon beim Finale? Dessen Cantus firmus (Hauptthema) ist nämlich (im Forte) schon dabei …



Das Finale Allegro molto ist in der äußeren Form ein Sonatensatz, in der inneren Struktur eine Fuge mit fünf Themen. Diese sind alle „theaterbegabt“, sodass die Fuge ausgesprochen komödiantischen Charakter annimmt:



– Erstes Thema (Hauptthema der Sonatenform): der seriöse Hausherr – ein barocker Cantus firmus (vier breite Noten) mit klassischem Nachsatz.



– Zweites Thema: ein pathetischer Clown – tritt rhythmisch auf und schlägt Purzelbäume.



– Drittes Thema: ein eitler Geck – mit aufwärts gerichtetem Blick pfeifend und trällernd.



– Viertes Thema: ein witziger Kobold – nur vier kurze Töne „immer auf dem Sprung“.



– Fünftes Thema (zugleich Seitenthema der Sonatenform): die elegante Dame des Hauses – drei gewichtige Noten, dann eine Kaskade von Koloraturen.



Diese Versammlung stellt sich in der Exposition vor und stimmt in der Durchführung ein herrliches Palaver an, das in der Reprise wächst, in der Coda kulminiert und in olympischem Lachen endet …



Nach dieser komödiantischen Sinfonie musste eine sinfonische Komödie kommen, eine richtige Opera buffa mit homerischem Gelächter, denn: so machen’s alle – cosi fan tutte!



(Mathias Husmann)