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Verdi: La traviata

Partygängerin, Prostituierte und It-Girl: „La traviata“ fiel bei der Uraufführung in Venedig durch, da das Sujet im provinziellen Italien noch anrüchig erschien. Doch am Schluss siegte Verdis Musik.

vonInsa Axmann,

Sie lebten in wilder Ehe: Komponist Guiseppe Verdi und Sängerin Giuseppina Strepponi. „La Strepponi“, das war eine freie, unabhängige Signora mit eigenem Vermögen. Mehrere Affären, drei uneheliche Kinder und eine erfolgreiche Karriere als italienische Opernsängerin lagen hinter ihr, als sie im Jahr 1841 Verdi in Mailand kennen lernte, wo sie an der Uraufführung von „Nabucco“ mitwirkte. Zwei Jahre später begann ihre Liebesaffäre.

Durch ihre häufigen Auftritte – bis zu sechs Opernabende bestritt sie in der Woche – ruinierte sie schon früh ihre Stimme und hatte folglich immer wieder gesundheitliche Probleme. „Ein verblassender Stern“, wie ein Kritiker damals bemerkte. 1846 trat Strepponi endgültig von der Bühne ab. Was blieben ihr für Möglichkeiten als unverheiratete Frau, liiert mit einem Komponisten, der Beruf aus und vorbei? Verdi riet ihr, nach Paris zu ziehen und dort eine Gesangsschule zu eröffnen. Das tat sie, häufig zu Gast war der Liebhaber. Schließlich zog Verdi mit seiner „Peppina“ ins italienische Busseto auf seinen ländlichen Wohnsitz.

Die Idee zu „La traviata“

Es wird wohl kein Zufall sein, dass Verdi in den Jahren in Busseto seine „Traviata“ komponierte: Die Bewohner Bussetos zerrissen sich die Mäuler ob der nicht legitimierten Liaison des Komponisten mit der ehemaligen Sängerin. Anlass für Verdi, die verlogene Doppelmoral der Italiener zu kritisieren, indem er in der Person der Violetta Partei für die „vom Wege Abgekommene“ – la traviata – ergriff.

La Traviata, Titelblatt des Klavierauszugs
La Traviata, Titelblatt des Klavierauszugs

Die Idee zu einer Oper mit entsprechendem Sujet kam Verdi, als er in Paris die Uraufführung des zum Schauspiel umgearbeiteten Romans „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas dem Jüngeren erlebte. Dieses sollte die Grundlage zu seinem Libretto darstellen, das Francesco Maria Piave für ihn anfertigte. Verdi komponierte die Musik wie im Rausch: In nur 45 Tagen war die Oper fertig gestellt. Die herkömmliche Nummernoper ist bei Verdi so gut wie aufgelöst, stattdessen finden sich viele Dialoge, Konversation, Duette und Ensembles und nur wenige Solopartien, da die ständige Interaktion der Figuren im Mittelpunkt des Geschehens stehen sollte. Denn darum geht es ja in „La traviata“: Um die Schwierigkeiten des menschlichen Miteinanders, um unüberwindbare Probleme zwischen den Gesellschaftsschichten und um die Freuden und Nöte mit der lieben Liebe.

Vom Reinfall zum Welterfolg

Die Uraufführung am 6. März 1853 entpuppte sich als Niederlage. Verdi legte die Handlung bewusst in die Zeit Ludwig XVI. zurück, da er vermeiden wollte, der italienischen Gesellschaft mit einer Kurtisane als Protagonistin ihre eigene Unmoral zu unverblümt unter die Nase zu reiben. Doch es waren nicht nur die Handlung, sondern auch die Sänger, die den Unmut des Publikums erregten, da sie stimmlich ihren Rollen nicht gewachsen waren. Nur Fanny Salvini-Guiseppina als Violetta wurde ob ihrer Stimmgewalt gefeiert – dafür nicht für ihre Erscheinung. Als „so rund wie eine Zervelatwurst“ wurde sie wegen ihrer Figur verspottet, die schwindsüchtige Protagonistin nahm man ihr nicht ab, wie auch Mathias Husmann in seinen „Präludien fürs Publikum“ anmerkt.

Nichtsdestotrotz: Schon bald trat „La traviata“ ihren Siegeszug über die Bühnen der Welt an. Verdi wurde durch sie und die beiden anderen Opern der „Trilogia“ – dem „Rigoletto“ und dem „Troubadour“ – zu einer Legende des europäischen Opernschaffens.

Die wichtigsten Fakten zu Guiseppe Verdis „La traviata”:

Oper in drei Akten

Orchesterbesetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, drei Posaunen, Cimbasso, Pauken, Schlagzeug (Becken, Große Trommel, Triangel), Streicher

Spieldauer: Ca. 2 1/2 Stunden

Die Uraufführung fand am 6. März 1853 im Teatro La Fenice in Venedig unter der Regie Verdis statt.

Referenzeinspielung

Anna Netrebko, Rolando Villazon, Thomas Hampson: Große Namen, große Oper! Die Live-Aufnahme der Salzburger Festspiele unter der Regie von Willy Decker aus dem Jahr 2005 besticht durch stimmliche Brillanz in jeder Hinsicht, Standing Ovations und donnernder Applaus folgten der damaligen Aufführung.

Album Cover für Verdi: La traviata

Verdi: La traviata

Wiener Philharmoniker, Carlo Rizzi (Leitung), Mit: Anna Netrebko, Rolando Villazon, Thomas Hampson, Helene Schneiderman, Diane Pilcher, Salvatore Cordella u.a.
Deutsche Grammophon

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Präludium

(UA Venedig 1853) Betroffen saßen Verdi und Giuseppina Strepponi im Pariser Vaudeville-Theater und sahen „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas – was sich auf der Bühne abspielte, war nicht nur ein moderner Stoff, sie erlebten es gerade selbst: Antonio Barezzi, der Vater von Verdis früh verstorbener Frau Margherita, den er sehr verehrte, machte ihm brieflich Vorwürfe wegen seiner ungesetzlichen Beziehung zu einer Frau „mit Vergangenheit“. Der Sohn auf der Bühne knickte gerade vor seinem Vater ein, Verdi aber verwahrte sich gegen die Einmischung seines Schwiegervaters und der spießbürgerlichen Gesellschaft seiner Heimatstadt Busseto. Aus diesem Widerstand, dieser Entschlossenheit zu einem freien Leben erwuchs der harte Stil der Oper La Traviata – die Gefallene. Es beginnt mit einem Adagio-Vorspiel (geteilte hohe Streicher), leise, eisig und mit schneidend scharfen Akzenten, dann folgt eine glühende „melodia lunga“ – und wir spüren: Wir sind gemeint. Erster Akt: Rauschendes Fest bei Violetta Valery, einer kränklich blassen Schönheit der Pariser Halbwelt – Salonlöwen, Lebedamen, Klatsch und Tratsch. Alfredo, jüngster Partygast, soll ein Trinklied anstimmen – Verdis Trinklieder (brindisi) haben es in sich! Alfredo gesteht Violetta seine Liebe, sie aber weiß nicht, was Liebe ist – verwirrt schenkt sie ihm eine Kamelie aus ihrem Haar: Wenn diese verblüht sei, dürfe er sie besuchen … Zweiter Akt: Violetta hat sich mit Alfredo in ihr Landhaus zurückgezogen, doch sein Vater Germont spürt das Liebesnest auf. Um der Familienehre willen verlangt er von Violetta, Alfredo einen Abschiedsbrief zu schreiben. Alfredo glaubt sich betrogen, weiß sie auf einem Pariser Fest ausfindig zu machen und wirft ihr vor allen Gästen Geld vor die Füße. Sein ihm nachgeeilter Vater kanzelt ihn heuchlerisch ab – der Skandal ist perfekt! Dritter Akt: Abermals das eisige Adagio – diesmal bei geöffnetem Vorhang und hoffnungslos: Die melodia lunga der Liebe schweigt. Die kranke Violetta liegt im Sterben. Im letzten Moment erscheint Alfredo, um sie um Verzeihung zu bitten – ein berührendes, illusionäres Duett, dann steht die Gefallene vom Lager auf und geht in die Freiheit … Faszinierend: – die Arie der von Alfredos Liebe verwirrten Violetta, – das emotionale Duett des Vaters Germont mit Violetta, das mit ihrem Verzicht endet, – ihr Abschiedsbrief (Klarinettensolo!), – die gereizte Kartenspielszene – der Eklat liegt in der Luft, – das erbarmungslose Skandalensemble – gesellschaftliches Mobbing als concertato-Finale. Bei der Premiere fiel La Traviata durch, weil die Hauptdarstellerin für eine schwindsüchtige Kurtisane zu dick war – auch als Publikum ist die Gesellschaft erbarmungslos! (Mathias Husmann)
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