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Interview María Dueñas

„Wer eine Routine hat, verliert seine Freude“

María Dueñas gilt als hoffnungsvollste Vertreterin der jüngsten Geigergeneration. Die hohen Erwartungen, die damit einhergehen, nimmt sie erstaunlich gelassen hin.

vonJohann Buddecke,

„Gerade bin ich noch in Wien“, erklärt María ­Dueñas in lupenreinem Deutsch zu Beginn des Interviews auf die Frage, wo sie sich denn gerade zwischen ihren zahlreichen Konzertterminen befindet. Zugeschaltet per ­Videotelefonie fokussiert sich die spanische Geigerin hochkonzentriert auf das Gespräch. Von Aufregung einer bevorstehenden Amerika-Tournee mit Beginn am nächsten Tag fehlt jede Spur.

Ihr Terminkalender ist prall gefüllt. Wie empfinden Sie das hohe Interesse an Ihrer Person?

María Dueñas: Ich sehe es als eine Verantwortung. Natürlich freut es mich, dass ich durch meine Musik so viele Menschen erreichen kann. Allerdings muss auch immer eine bestimmte Qualität erreicht werden, ganz egal wo man spielt und für wen man spielt. Qualität ist entscheidend.

In Ihrer Familie gibt es keine professionellen Musiker. Wie kam es dazu, dass Sie Ihren Weg eingeschlagen haben?

Dueñas: Meine Eltern haben die Musik immer geliebt, und so bin ich auf eine ganz natürliche Art und Weise an die Musik herangekommen. Wir haben in meiner Heimatstadt viele Konzerte besucht. Irgendwann habe ich für mich entschieden, dass ich Geige lernen möchte.

Wieso gerade die Geige?

Dueñas: Sie hat mich schon damals an die menschliche Stimme erinnert. Ich habe so viele verschiedenen Farben gehört, die mich fasziniert haben. Dazu ist es ein kleines Instrument und ich war auch ganz klein (lacht).

Gab es Momente, in denen Sie zweifelten, ob eine professionelle Musikkarriere das Richtige sei?

Dueñas: Nein. Es war nie so, dass die Geige mein Leben bestimmt hat, als ich aufgewachsen bin. Sie war natürlich ein Teil von mir und ich habe es immer geliebt zu spielen. Aber ich war auch ein ganz normales Kind, bin zur Schule gegangen und habe alles gemacht, was man so im Kindesalter macht. Die Geige ist eher auf eine sehr natürliche Weise in mein Leben gekommen.

So richtig in Fahrt kam Ihre Karriere mit dem ersten Platz der Menuhin Competition für junge Geiger. Gehören Wettbewerbe für Sie eher zum Pflichtprogramm oder sind sie auch künstlerisch interessant?

Dueñas: Wettbewerbe waren für mich in erster Linie eine Möglichkeit, zu lernen, immer hundert Prozent zu geben und viel Repertoire innerhalb kurzer Zeit kennenzulernen. Es ging also eher um Motivation. Wenn ich ein Ziel habe, arbeite ich viel konzentrierter und vor allem fokussierter. Und nebenher waren Wettbewerbe für mich eine Möglichkeit, mich zu präsentieren und gehört zu werden.

Kommt man heute noch an Wettbewerben vorbei?

Dueñas: Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten, weil es viele junge Menschen gibt, die diese Wettbewerbe nicht gerne spielen. Es geht nämlich nicht nur darum, technisch und musikalisch gut vorbereitet zu sein, sondern vor allem psychisch. Viele verlieren ihre Nerven.

Wie schwierig ist es, sich als junge Künstlerin zu etablieren, beziehungsweise ein künstlerisches Profil zu entwickeln?

Dueñas: Es gibt eine unglaubliche Zahl guter Musiker. Das macht es nicht einfach. Umso wichtiger ist es für mich, mir selbst treu zu bleiben. Man sollte sich keinesfalls anders präsentieren als man ist, nur um bessere Chancen zu bekommen. Ich möchte die Musik präsentieren und nicht mich als Person. Vergleiche mit anderen Künstlern sind ohnehin nicht notwendig. Jeder hat seine eigene Stimme. Es gibt nicht zwei gleiche Musiker. Wenn man fokussiert ist, seine eigene Stimme zu entwickeln, seinen Ton findet und die Musik versteht, ist es nicht so schwer seinen Platz zu finden.

Ist das nicht leichter gesagt als getan?

Dueñas: Man muss die Sache viel positiver annehmen. Ich bin mir bewusst, dass es für mich noch viel zu lernen gibt.

„Die Geige ist eher auf natürliche Weise in mein Leben gekommen“, sagt die in Granada geborene Maria Dueñas.
„Die Geige ist eher auf natürliche Weise in mein Leben gekommen“, sagt die in Granada geborene Maria Dueñas.

Gibt es etwas, was Sie Ihrem Publikum als Künstlerin vermitteln wollen?

Dueñas: Mir ist die Verbindung mit dem Publikum sehr wichtig. Das Schönste für mich ist, wenn ich im Konzertsaal die gemeinsame Liebe für die Musik spüre. Es kommt auch immer ein bisschen darauf an, wo man ist und wie erfahren ein Publikum einer Stadt mit klassischer Musik ist.

Sie stehen mittlerweile mit den profiliertesten Orchestern und Dirigenten auf den Bühnen dieser Welt. Ist jedes Debüt aufregend oder entwickeln Sie schon eine Routine?

Dueñas: Routine sollte niemals entstehen. Ich wechsle hier und da den Bogenstrich, füge kleine Nuancen ein. Nur so bleibt Musik lebendig. Wer eine Routine hat, verliert seine Freude. Es ist besser, jeden Konzertabend aufs Neue zu betrachten. Es kommt ja immer neuer Input von den Musikern und von dem Dirigenten.

Auf Tourneen muss die Zusammenarbeit mit Orchester und Dirigent ziemlich schnell funktionieren. Wie kommt der Kopf da mit?

Dueñas: Man muss sich gut organisieren. Natürlich muss man die Stücke selbst viel früher vorbereitet haben. Wenn man das aber getan hat, kann man sicher sein, dass die Qualität auf der Bühne stimmt.

Sprechen wir über Ihr Album „Beethoven and Beyond“, das Beethovens Violinkonzert in einen besonderen Fokus rückt. Wieso haben Sie sich für ein derart populäres Stück auf Ihrem Debütalbum entschieden?

Dueñas: Ich wollte mit meiner ersten Platte ein Statement setzen. Durch das Konzept des Albums ist es mir gelungen, viele verschiedene Seiten von mir zu präsentieren. Da ist das Beethoven-Konzert auf der einen Seite, das natürlich schon oft aufgenommen wurde und ich einfach mein Verständnis von dem Werk aufzeigen wollte. Durch die verschiedenen ­Kadenzen, die ich dazu aufgenommen habe, wollte ich etwas Neues aufzeigen, was ich für junge Künstlerinnen und Künstler sehr wichtig finde und man häufig vermisst.

Was steckt hinter der Idee, die Kadenzen von Spohr, Ysaÿe, Saint-Saëns und Wieniawski aneinanderzureihen?

Dueñas: Ich habe mich immer sehr gerne mit Kadenzen beschäftigt. Es ist interessant zu sehen, wie das Werk von verschiedenen Komponisten oder Interpreten aufgefasst wurde. Da haben wir zum Beispiel Spohr, der noch sehr im Stil von Mozart geschrieben hat und dann nehmen wir als Gegensatz Wieniawski, der sich dem Stück wiederum ganz anders nähert.

Wieviel Einfluss hatten andere Geiger auf Sie bezogen auf die Interpretation?

Dueñas: Normalerweise versuche ich, mir zunächst ein eigenes Bild zu verschaffen. Bei dem Beethoven-Konzert ist das recht schwer, weil man es schon so häufig gehört hat. Ich versuche so zu spielen, wie ich es empfinde. Das ist natürlich ein langer Prozess. In einigen Jahren werde ich das Konzert sicher anders spielen. Dadurch, dass ich nun auch eine eigene Kadenz geschrieben habe, bin ich dem Werk aber noch näher gekommen. Ich habe viel analysiert, die Struktur mithilfe des Manuskripts erfasst und versucht, jede Note zu verstehen. Man sieht in Beethovens Niederschrift seine ganzen Änderungen, und so empfinde ich auch seine Musik: Sie darf niemals stehenbleiben. Sie muss weiterwachsen.

CD-Tipp

Album Cover für Beethoven and Beyond

Beethoven and Beyond

Werke von Beethoven, Spohr, Kreisler, Saint-Saëns, Wieniawski u. a. María Dueñas (Violine), Wiener Symphoniker, Manfred Honeck (Leitung) Deutsche Grammophon

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