„Wie der über Musik redet, da geht einem das Herz auf“, sagt die Dame zu ihrem Begleiter im Foyer des Heidelberger Congress Centers, und da ist was dran. Denn Igor Levit ist nicht nur ein außergewöhnlicher Pianist, sondern auch ein begnadeter Kommunikator seiner Kunst, dessen launig-persönliche Werkerläuterungen so gar nichts zu tun haben mit dem musiklexikalischen Jargon üblicher Einführungsveranstaltungen. Und überhaupt: dass sich da ein Pianist zu einem solchen Termin bereit erklärt, eine halbe Stunde vor dem Auftritt mit zwei der schwierigsten Klavierkonzerte – das gibt es eigentlich gar nicht.
Aber Igor Levit ist ein Überzeugungstäter, den Konventionen wenig, seine Kunst dafür umso mehr interessiert. Und der dafür gern auch mal etwas Verrücktes unternimmt. Alle fünf Klavierkonzerte von Sergej Prokofjew an drei aufeinanderfolgenden Tagen zu spielen, gehört zu jenen verwegenen Großtaten, die Anselm Cybinski, Levits Gesprächspartner bei der Einführung, als „Achttausenderbesteigungen“ bezeichnet. Beim ersten Konzert am Dienstagabend wollen viele dem Gipfelstürmer Gesellschaft leisten, denn das Konzert im Rahmen des Festivals „Heidelberger Frühling“ ist restlos ausverkauft.
Irrwitzigen Tonkaskaden und akrobatische Sprünge
Los geht es mit dem erstem Klavierkonzert, das der Zwanzigjährige Prokofjew als Abschlussarbeit seines Studiums am Petersburger Konservatorium komponierte. Möglicherweise wollte der Hochbegabte angesichts der darin versteckten pianistischen Zumutungen verhindern, dass das Stück jemand anderes außer ihm selbst spielen konnte. Levit jedenfalls hat merklich seine Freude an den irrwitzigen Tonkaskaden und akrobatischen Sprüngen quer über die Tastatur, zumal Iván Fischer am Pult des Budapest Festival Orchestra seine Musiker gut im Griff hat. Die engen Verzahnungen zwischen Klavier- und Orchesterpart gelingen so weitgehend ohne Reibungsverluste, und das gilt auch für das fünfte Klavierkonzert, das Levit nach kurzer Verschnaufpause folgen lässt.
Doppelbödige Musik
Zwanzig Jahre liegen zwischen beiden Werken, und das merkt man. Die pianistischen Anforderungen sind noch gesteigert, und auch formal ist das fünfsätzige Werk von weitaus größerem Anspruch als der einsätzige Erstling. Fast filmschnittartig wechseln sich darin die musikalischen Charaktere und Haltungen ab, eine doppelbödige Musik, die gleichzeitig kühl und feurig ist und deren klangliche Facetten Levit pianistisch überwältigend darstellt.
Dass das Budapest Festival Orchestra ein sehr gut eingespieltes Ensemble ist, zeigt es nach der Pause mit Prokofjews Sinfonie Nr. 5 B-Dur. Klug modelliert Iván Fischer die Spannungskurven des Werks, schlägt dabei einen großen Bogen bis zur hexentanzartigen Kulmination im Finale.