Frau Hartmann, dieses CD-Projekt hat eine besondere Bedeutung für Sie, was macht es so persönlich?
Rebekka Hartmann: Dieses Projekt ist für mich eine zutiefst persönliche Reise – künstlerisch wie emotional. Die Werke von Hartmann, Ravel und Sadikova wurden sehr bewusst gewählt. Jedes Stück berührt existenzielle Themen wie Verlust, Identität und Tiefe. Und sie alle zeigen – auf ganz unterschiedliche Weise – die Kraft des Ausdrucks jenseits des gesprochenen Wortes.
Wie war die Zusammenarbeit mit Kent Nagano und dem Rachmaninoff International Orchestra?
Hartmann: Die Zusammenarbeit mit Kent Nagano war wirklich außergewöhnlich. Seine Mischung aus intellektueller Klarheit und emotionaler Tiefe schafft eine Atmosphäre, in der Musik auf höchstem Niveau möglich wird. Das Orchester war für mich der ideale Partner – voller Energie, Offenheit und künstlerischer Hingabe. Es entstand ein echter Dialog, musikalisch wie menschlich.
Sie haben ein neues Werk uraufgeführt: „Stradivari“ von Aziza Sadikova. Was bedeutet Ihnen dieses Werk?
Hartmann: „Stradivari“ ist ein intensives und mutiges Werk. Aziza Sadikova hat eine musikalische Sprache gefunden, die sowohl in der Tradition verwurzelt als auch radikal zeitgenössisch ist. Für mich als Geigerin ist es eine große Herausforderung und ein Geschenk, ein Werk zu spielen, welches die Grenzen des Instruments neu auslotet und mich als Interpretin fordert.

Die drei Werke in Ihrem Programm scheinen sehr unterschiedlich zu sein. Was verbindet sie?
Hartmann: Jedes dieser Werke erzählt auf seine Weise eine intensive menschliche Geschichte. Hartmanns „Concerto funebre“ ist ein schonungsloses musikalisches Statement – ein Protest gegen Gewalt und Verlust. Ravels „Tzigane“ feiert Freiheit und Virtuosität mit wilder, fast trotziger Energie. Und Sadikovas „Stradivari“ bringt uns ins Heute. Es ist ein Werk das Fragen stellt, provoziert und neue Klangräume erschließt. Zusammen spannen sie einen Bogen vom 20. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart und die Violine ist dabei die verbindende Stimme.
Was wünschen Sie sich, was das Publikum beim Anhören dieser Aufnahme mitnimmt?
Hartmann: Ich wünsche mir, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer sich berühren lassen – von der Klarheit und Tiefe Hartmanns, vom Feuer und der Lebenslust der „Tzigane“ und von der emotionalen Intensität von Sadikovas Musik. Und vielleicht auch von der Idee, dass Musik heute mehr denn je ein Raum sein kann für Reflexion, für Widerstand, für Verbindung – ein zutiefst menschliches Erlebnis.
Neben den großen Konzertbühnen engagieren Sie sich auch ganz bewusst für kleinere, persönliche Formate. Können Sie uns etwas über Ihre neue Konzertreihe erzählen?
Hartmann: Mit meiner neuen Konzertreihe „Musik in den Häusern auf dem Land“ möchte ich einen bewussten Gegenpol zur wachsenden Geschwindigkeit unseres Alltags schaffen. Im kleinen, privaten Rahmen – mitten in der Ruhe des Ländlichen – entsteht Raum für Musik, für echte Begegnung und für ein Miteinander, das heute selten geworden ist. Es geht mir darum, Musik wieder dorthin zu bringen, wo sie Menschen direkt berühren kann – nah, lebendig und ohne Distanz.
Hören Sie hier den vierten Satz „Choral“ aus Karl Amadeus Hartmanns „Concerto funebre“ mit Solisitn Rebekka Hartmann: