In München als Orchester zu überleben ist kein leichtes Unterfangen. Auch die Kampfbedingungen sind seit jeher unfair. Es gilt, gegen vier große Klangkörper zu bestehen, darunter zwei hochsubventionierte, von Gebühren getragene öffentlich-rechtliche Rundfunkorchester mit eigenen Aufnahmestudios und Proberäumen. Dazu kommen die Münchner Philharmoniker und das Orchester der Staatsoper, die beide vom Staat auch nicht stiefmütterlich behandelt werden.
Die Münchner Symphoniker aber mussten immer kämpfen. Dabei waren sie schon da, als der Bayerische Rundfunk noch kein eigenes Orchester hatte. Am 25. September 1945 traten sie zum ersten Mal im Prinzregentensaal auf, mit einem Benefizkonzert für das Rote Kreuz – noch unter den Namen ihres Gründers Kurt Graunke, einem kriegserfahrenen Geiger und Komponisten aus Stettin. „Ein Orchestererzieher – comme il faut!“, lobten Zeitgenossen ihn, wie „Der Spiegel“ 1950 schrieb.
Schneller Aufstieg
Mit sieben Mann aus dem Deutschen Theater, die seinerzeit noch mit Zigarettenkippe im Mundwinkel zum Tanz aufspielten, hatte Graunke angefangen, bald waren es neun, dann über zwanzig. Man war so gut, dass amerikanische Clubs versuchten, das Orchester zu engagieren. Doch Graunke hatte Höheres im Sinn. Mit seinen Musikern arbeitete er sich Schritt für Schritt in der sinfonischen Literatur hoch. Weil immer zwei von Graunkes Musikern zugunsten eines dritten auf die Gagenspitze verzichteten, konnte das Orchester nach der Währungsreform auf 45 Mann vergrößert werden. Bei Filmaufnahmen in Geiselgasteig und Oberbayern und mit Synchronisationen verdienten sie sich ein Zubrot – all dies noch unter der „Obhut“ des Bayerischen Rundfunks, dessen Orchester immer noch nicht stand. 1949 war es dann soweit. Eugen Jochum wurde als neuer Chef aus Hamburg gerufen und Graunkes Musikern der „Werkvertrag“ gekündigt. „Die Mohren Graunkes“ hatten „ihre Schuldigkeit getan“, schrieb „Der Spiegel“ seinerzeit. Immerhin: Der Saal tobte, als Graunke sein letztes Sinfoniekonzert für den Funk gab. Jochum, der im Publikum saß, staunte: „Wo er’s nur herhat?“
Das Warten auf den Startschuss
Ja, Graunke hatte „es“ wohl und ließ seine Musiker nicht im Stich. Man machte weiter, nun als eingetragener Verein. Als er sich 1989 zurückzog, wurde das Symphonie-Orchester Graunke in Münchner Symphoniker umbenannt. 2009 kam der Beiname „Der Klang unserer Stadt“ dazu und der Münchner Friedensengel zog ins Logo. Sechzig fest angestellte Musiker zählen die Münchner Symphoniker heute, rund hundert Aufführungen realisieren sie pro Jahr. Das Repertoire reicht von Barock über Klassik und Romantik bis hin zu den Klassikern der Moderne und des 21. Jahrhunderts. Filmmusik und Operette werden auch gerne gespielt.
Kaum angetreten, erwischte den neuen Intendanten Tilman Dost die Coronakrise. Die Musiker sind derzeit in Kurzarbeit, die Sponsoren immer noch „fest zur Seite“, und auch die Abonnenten akzeptieren Gutscheine für ausgefallene Konzerte oder leisten Spenden. Das Programm zum 75-jährigen Jubiläum steht fest mit Musik von Beethoven bis Charlie Chaplin. Wie immer finden das „Präludium“ vor dem Konzert, in dem die Musiker ihre Lieblingsstücke aus der zeitgenössischen Musik erklären, und das beliebte After-Work-Format „Hörbar“ mit Musik in lockerer Atmosphäre statt. Alle warten nun auf den Startschuss: „Ein gut trainiertes Rennpferd wird unruhig, wenn es über längere Zeit im Stall verharren muss“, beschreibt Dost die Stimmung im Orchester.