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Puccini: La Bohème

Eine Geschichte, die zu Herzen geht: kaum eine Oper rührt derart zu Tränen wie Puccinis „La Bohème“.

vonJulia Hellmig,

Halten Sie Ihre Taschentücher bereit: Bei der tragischen Liebesgeschichte zwischen dem mittellosen Dichter Rodolfo und der engelsgleichen Mimì bleibt kaum ein Auge trocken. „In dem Buch war alles, was ich suchte und liebe: die Frische, die Jugend, die Leidenschaft, die Fröhlichkeit, die schweigend vergossenen Tränen, die Liebe mit ihren Freuden und Leiden. Das ist Menschlichkeit, das ist Empfindung, das ist Herz. Und das ist vor allem Poesie, die göttliche Poesie“, schwärmte Puccini.

Seine „Bohème“ basiert auf dem Roman „Scènes de la vie de bohème“ von Henri Murger, in dem Puccini den idealen Stoff für eine Oper sah. Ob er tatsächlich selbst auf das Buch gestoßen ist oder ob sein Verleger Ricordi oder gar sein Komponistenfreund Ruggero Leoncavallo ihn auf die „Scènes“ aufmerksam gemacht haben, ist unklar. Leoncavallo behauptete, er habe Puccini den Stoff angeboten, doch als dieser ihn ablehnte, begann er stattdessen seine eigene „Bohème“ zu komponieren. Die Uraufführung fand 1897 statt, ein Jahr nach Puccinis unerreichtem Meisterwerk. An der Konkurrenz zwischen den beiden Männern zerbrach ihre jahrelange Freundschaft.

Der Traum von Freiheit, Unabhängigkeit und Kunst

Im März 1845 veröffentlichte die Pariser Tageszeitung „Le Corsaire Satan“ den ersten von insgesamt 33 Texten, die bis April 1849 unter dem Titel „Szenen der Bohème“ abgedruckt wurden. Autor der ersten Folge war der 23-jährige Henri Murger. Er ließ zahlreiche autobiografische Elemente einfließen, durch die einzelne Personen und Schauplätze identifiziert werden konnten. So ist die Gestalt Rodolphes gar ein Selbstporträt des Autors.

Die Pariser Bohème spiegelt den Traum von Freiheit, Unabhängigkeit und Kunst – doch das Leben von Rodolfo und seinen Freunden sieht alles andere als vielversprechend aus: In ihrer kalten Mansarde gibt es noch nicht einmal Feuer für die Kerze der bezaubernden Nachbarin Mimì. Sie bringt Wärme in die Tristesse und entfacht Rodolfos Liebe. Aber ihre Beziehung wird von Mimìs Krankheit überschattet. Zwischen dem finanziellen Auf und Ab der Bohèmien-WG kommen sich die beiden näher, entfremden sich und finden schließlich erst wieder zueinander, als es schon zu spät ist.

Puccini, der Meister der Melodie

Am 10. Dezember 1895 versammelte sich der „Club La Bohème“. Dieser war eine Künstlergilde von Literaten und Malern, mit denen Puccini gemeinsame Erinnerungen an seine Jahre als Student und Bohèmien wachhielt. Während seine Freunde Karten spielten und Wein tranken, komponierte er indessen. Plötzlich soll er vom Klavier aus gerufen haben: „Ruhe, ihr Burschen! Ich bin fertig!“ So entstand in kurzer Zeit die Partitur zu „La Bohème“. Ohne jemals zuvor in Paris gewesen zu sein, fing Puccini das szenische Flair ebenso wie die Atmosphäre eines klirrend kalten Wintertags ein.

Bereits am 1. Februar 1896 fand die Premiere unter der musikalischen Leitung des 29-jährigen, noch völlig unbekannten Arturo Toscanini in Turin statt – mit zunächst nur mäßigem Erfolg. Doch Puccini war mittlerweile ein anerkannter Komponist und sein Werk konnte sich innerhalb kurzer Zeit durchsetzen. Puccini ist ein Meister der szenischen Beschreibung und der Melodie. Mit seiner feinen und detailgenauen Zeichnung der Figuren und einer bildhaften Komposition hat er eine Klangsprache entwickelt, die das Publikum direkt emotional anspricht. Er hat damit bereits entscheidende Voraussetzungen für die klassische Filmmusik Hollywoods erfüllt. Darüber hinaus sind seine Stücke von einer bis heute kaum übertroffenen Erzähldichte, die auch heute noch so manch einem Drehbuchautor Bewunderung abringt.

Die wichtigsten Fakten zu Giacomo Puccinis „La Bohème“:

Besetzung: Rodolfo (jugendlicher Heldentenor), Schaunard (Charakterbariton), Marcello (Kavalierbariton), Colline (seriöser Bass), Benoît (Bass), Mimì (jugendlich-dramatischer Sopran), Musetta (lyrischer Koloratursopran), Parpignol (Spieltenor), Alcindoro (Charakterbass), Sergeant bei der Zollwache und Zöllner (Bass)

Orchesterbesetzung: 2 Flöten, Piccoloflöte, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Cimbasso/Kontrabassposaune, Pauke, Schlagzeug, 2 Harfen, Streicher, Bühnenmusik

Aufführungsdauer: Ca. 2 1/2 Stunden

Uraufführung: 1. Februar 1896 im Teatro Regio in Turin.

Referenzeinspielung

La Bohème mit Luciano Pavarotti

Puccini: La Bohème

Luciano Pavarotti, Mirella Freni, Nicolai Ghiaurov, Rolando Panerai, Elizabeth Harwood, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan (Leitung)
Decca

Der Klassiker mit Luciano Pavarotti und Mirella Freni: Fast 20 Jahre lang wurde die italienische Sopranistin mit der Mimì identifiziert; in zwei Gesamtaufnahmen, einem Film und unzähligen Aufführungen stand sie in dieser Rolle bereits auf der Bühne. Mit seiner jugendlichen Frische ist Luciano Pavarotti als Rodolfo eine Idealbesetzung. Und Herbert von Karajan ist mit seinen Berliner Philharmonikern hier ganz in seinem Element. Ein wahrer Klangtraum entfaltet sich, so dass der Hörer sich mühelos in die Atmosphäre der Szenerie hineinversetzen kann.

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Präludien

(UA Torino 1896, ML Arturo Toscanini)

Eine kalte Pariser Mansarde am Weihnachtsabend, vier geniale, witzige, leider völlig mittellose Intellektuelle: der Maler Marcello, der Poet Rodolfo, der Philosoph Colline (er besitzt immerhin einen alten Mantel), der Musiker Schaunard – letzterer hat gerade Geld verdient, prahlt und predigt, gemeinsam zieht man ins Cafe Momus, Rodolfo bleibt zurück, um noch zu schreiben, eine junge Wohnungsnachbarin bittet um Feuer und kurz darauf stehen beide in Flammen… Im Cafe begegnen sich Marcello und Musetta wieder, sie entledigt sich ihres zahlungskräftigen Freiers und beide fallen sich in die Arme … dieser zweite Akt – mit aufgefächertem Chor, Kinderchor und Zapfenstreich – dauert ganze zwanzig Minuten, aber der Dirigent glaubt, zwanzig Stunden gearbeitet zu haben – Pause! Dritter Akt: ein Winter später, Abschied beginnt, Erinnerungen werden beschworen, die kranke Mimi zieht sich von Rodolfo zurück, Marcello und Musetta keifen sich nur noch an – ein wunderbares Quartett auf zwei Ebenen: immer erregter zwischen Marcello und Musetta, immer stiller zwischen Rodolfo und Mimi… Der vierte Akt potenziert den ersten: die intellektuellen Albernheiten ufern aus, die Emotionen der Sterbeszene sinken ins Bodenlose – Mimi möchte Rodolfo noch einmal sehen, Musetta spendiert einen Muff für ihre kalten Hände, das ganze Opernhaus weint… Das Leben der Bohème: eine wilde und zärtliche Musik, drastisch und knapp, ohne Umschweife, ohne Schlüsse; Bruchstücke, mit dramatischem Gespür zu einem schlüssigen Ganzen gefügt. Mimi und Rodolfo sind DAS Traumpaar der Oper, aber auch die anderen Bohemiens treten plastisch hervor: Musettas brillant-schriller Auftritt im Cafe, ihr sirenenhaftes Walzerchanson, dem Marcello (wieder) erliegt, oder: Collines stoische Ansprache an seinen Mantel, bevor er ihn im Pfandhaus versetzt, um den Arzt für Mimi bezahlen zu können… Nach der Premiere orakelte die Kritik: „diese Oper wird nicht lange leben“ – kein Kommentar! (Mathias Husmann)
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