Igor Levit spielt Beethoven-Sonaten in der Elbphilharmonie
Auf Pfaden mit akuter Absturzgefährdung wandeln
Als Ausblick auf Beethovens 250. Geburtstag eröffnet Igor Levit in Hamburg seinen Sonaten-Zyklus.
© Heji Shin Sony Music Entertainment

Igor Levit
Es gibt Bergwanderer, die immer die leichteste Route wählen, um mit geringstem Kraftaufwand die schönsten Aussichtspunkte anzusteuern. Und es gibt solche, die die Herausforderung suchen, für die der steile und steinige Weg das Ziel ist – um einmal diese etwas abgegriffene Floskel zu bemühen. Igor Levit gehört zweifellos zu denen, die es sich nicht leicht machen, die bisweilen Extremsport betreiben, aber niemals um der bloßen Leistungsschau und Konditionierung willen, sondern um für sich und die, die ihn auf seinen klavieristischen Wanderungen begleiten, intensive, nachhaltige Konzerterlebnisse zu schaffen.
Vorläufiger Höhepunkt beim Erklimmen von Pfaden mit akuter Absturzgefährdung waren sicherlich Bachs „Goldberg-Variationen“, Ludwig van Beethovens „Diabelli-Variationen“ und Frederic Rzewskis Variationenzyklus „The People United Will Never Be Defeated!“, die der gebürtige Russe, der seit seinem achten Lebensjahr in Hannover lebt, im Jahr 2015 im Dreierpack auf CD einspielte und auch in Konzerten häufig zu Gehör brachte. Für einen Pianisten vor dem 30. Lebensjahr eine Leistung, die man als anmaßend empfinden könnte – aber nur solange man die klingenden Resultate von Levits intensiven Studium dieser Werke noch nicht gehört hat.
Igor Levit möchte mit der Einspielung sämtlicher Beethoven-Sonaten sein musikalisches Fazit der vergangenen fünfzehn Jahre ziehen
Bereits zwei Jahre zuvor hatte Levit mit der Einspielung von Beethovens letzten fünf Klaviersonaten auf sich aufmerksam gemacht. Auch hier pickte er sich aus den 32 Sonaten jene heraus, deren geistiger Gehalt und Seelentiefe am schwierigsten zu erfassen und zu vermitteln sind. Daher verwundert es kaum, dass Levit nun ein noch größeres Projekt in Angriff nimmt: die Einspielung sämtlicher Beethoven-Sonaten, mit der er nach eigener Aussage das musikalische Fazit seiner vergangenen fünfzehn Jahre zieht. Und mit der er sich an die Spitze jener Wandergruppe katapultiert, deren Interpreten sich zum anstehenden 250. Geburtstag des Komponisten im kommenden Jahr noch mit Auftritten und Neuveröffentlichungen zu Wort melden werden.
Neun Sonaten aufgeteilt auf zwei Konzerte bündelt Levit für den ersten Teil des Zyklus in der Elbphilharmonie. Der zweite Teil folgt im November. Auf eine chronologische Reihenfolge verzichtet der Pianist. Passend für einen, der mit der Auswahl seines Repertoires immer wieder überrascht.
Album-Tipp
Termine
Igor Levit
Brahms/Reger: Vier ernste Gesänge op. 121, Mahler/Stevenson: Adagio aus der 10. Symphonie, Schubert: Drei Klavierstücke D 946, Prokofjew: Klaviersonate Nr. 7 B-Dur op. 83
Renaud Capuçon, Igor Levit
Johan Dalene, Julia Hagen, Igor Levit
Igor Levit
Hersch: Variations on a Folk Song, Brahms/Busoni: Sechs Choralvorspiele, Wagner/Kocsis: Vorspiel zu „Tristan und Isolde“, Liszt: Klaviersonate h-Moll
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