Mit einem Festkonzert eröffneten der Bonner Oberbürgermeister Guido Déus, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und das Beethoven Orchester Bonn unter seinem Generalmusikdirektor Dirk Kaftan am gestrigen Dienstag die Beethovenhalle Bonn nach langjähriger Sanierung. Auf dem Festprogramm begegneten sich Neue Musik, große Sinfonik von Gustav Mahler, die die klanglichen Möglichkeiten des Saales in all ihren Facetten ausloteten, und selbstverständlich Werke des Namensstifters selbst.
Die Generalüberholung sei unausweichlich gewesen, erklärte Oberbürgermeister Déus in seinen Grußworten lakonisch, denn auch „die Besten kommen irgendwann in die Jahre“. Früh entschied sich die Stadt gegen einen Neubau an anderer Stelle. Zu dicht sind die Erinnerungen, die sich mit diesem Ort verbinden. Politische, historische und kulturelle Erinnerungen. Schließlich war Bonn einmal wer. Nicht nur Beethovenstadt, was es freilich noch immer ist, sondern auch Hauptstadt der alten Bundesrepublik.

Beethovenhalle Bonn als musikalisches Wohnzimmer der Stadt
Vier Bundespräsidenten wurden hier von der Bundesversammlung ins Amt erhoben, Bundespressebälle und Klimakonferenzen fanden statt, dazwischen immer wieder große Musik. Und weil man im Rheinland ist, gehört selbstverständlich auch der Karneval zu den regelmäßigen Gästen. Die Beethovenhalle ist damit vieles zugleich: Konzertsaal, Tanzparkett, politischer Schauplatz und Sehnsuchtsort. Vor allem aber ist sie die Halle der Bonner Bürger. Für Dirk Kaftan ist sie das musikalische Wohnzimmer der Stadt. Keine museale Architektur, sondern ein Ort lebendigen kulturellen Austauschs soll es sein.
In Bonn wird dieses Selbstverständnis mit einer gewissen rheinischen Gelassenheit getragen, das zeigt sich schon beim Umgang mit dem Besuch des Staatsoberhauptes. Die Ankündigung des Bundespräsidenten und das damit verbundene Sicherheitsprotokoll wurden mit tiefer Entspannung vermittelt: „Bitte bleiben Sie nach dem zweiten Teil sitzen, bis das Licht angeht, dann können Sie gehen.“ Dass auf die zweite Pause noch ein nahezu achtzigminütiger sinfonischer Block folgen sollte, scheint selbstverständlich, schließlich ist man ja hier auch zuhause.

Frank-Walter Steinmeier betont Bedeutung für Identität und Geschichte
Auf Pathos wollten Beethoven und Mahler wohl nie verzichten, und auch Frank-Walter Steinmeier verzichtete in seiner Ansprache nicht darauf, die Bedeutung der Beethovenhalle für Identität und deutsche Geschichte zu betonen. Dirk Kaftan allerdings entschied sich für eine ebenso kluge wie unaufdringliche Dramaturgie. Nicht Beethovens Neunte eröffnete den Abend, jener ikonische Hymnus auf die menschliche Verständigung, auch nicht die programmatisch naheliegende Ouvertüre „Die Weihe des Hauses“. Stattdessen erklang als erstes Stück im neu eröffneten Saal die Ouvertüre zum Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ – ein Verweis auf das geistige Feuer, den schöpferischen Impuls und den musischen Kunstsinn schlechthin.
Es folgte Beethovens viertes Klavierkonzert, ein Werk des reifen, nachdenklichen, beinahe introvertierten Komponisten. Hier zeigte sich nicht der revolutionäre Gestus, sondern ein Beethoven der leisen Töne, der inneren Spannung. Und damit stellte sich zugleich die entscheidende Frage des Abends: Wie klingt dieses musikalische Wohnzimmer nun?
Kurz gesagt: sehr gut – und vornehm kühl. Der Saal besitzt eine bemerkenswerte Klarheit. Unschärfen in den hohen Streichern werden gnadenlos abgeschliffen, der Gesamtklang erscheint gesättigt und kristallin. Doch diese Transparenz fordert ihren Preis. Der Raum verlangt Akkuratesse. Tiefe Streicher müssen präzise artikulieren, sonst verschwimmen die Eindrücke ins Diffuse. Bei schwulstiger Romantik ist Vorsicht geboten: Zu viel Schmelz führt unweigerlich zur undurchsichtigen Klangsuppe.

Enthusiastisches Publikum
Das Beethoven Orchester Bonn und der 1990 in Bonn geborene Pianist Fabian Müller beherrschten dieses kalte Feuer mit Bravour. In der festlich-eleganten „Prometheus“-Ouvertüre ebenso wie im Klavierkonzert, dessen Kopfsatz eine innige, dabei stets kontrollierte Haltung bewahrte, dessen rezitativischer Mittelsatz in resignativer Konzentration verharrte und dessen Finale mit viriler Energie voranschritt. Das Publikum feierte Müller ebenso enthusiastisch wie Sara Glojnarićs organisch sich entfaltendes Werk „Everything, Always“, das mit Tape und Orchester selbstironisch auf den Akt des Komponierens selbst blickt.
Mit der Wiedereröffnung hat Beethovens Musik wieder einen festen Ort in der Stadt. Doch auch das Beethoven Orchester Bonn, das während der Schließzeit von der Oper bis zum Telekom Dome nahezu alles interimsweise bespielt hat, kehrt nun endlich in einen dauerhaften Wohnsitz zurück. Welche Perspektiven sich damit eröffnen, zeigte eindrucksvoll der letzte Programmpunkt des Abends: Gustav Mahlers zweite Sinfonie.
Dieses monumentale Werk erschafft mit allen musikalisch nur denkbaren Mitteln eine eigene Welt und demonstriert exemplarisch, welche Dimensionen in der Beethovenhalle nun möglich sind. Mahler fesselt. Vom miasmatischen Kopfsatz mit seinem markanten Kontrabasswirbel, den apokalyptischen Blechbläserfluten und dem unüberhörbaren Dies-irae-Zitat bis zum apotheotischen Finale. Dessen rhythmische und dynamische Spannweite kostete Kaftan mit großer Übersicht aus.
Am Ende erhob sich das Publikum zu stehenden Ovationen, sowohl für die Musik und die Musiker als auch für den Raum selbst. Und so blieben, jenseits aller Reden und Festgesten, und jenseits von Bonbongeraschel und den ersten fallenden Programmheften, vor allem die Worte der letzten Strophe der Klopstock-Kantate im Gedächtnis: „Aufersteh’n, ja aufersteh’n wirst du.“ Für die Beethovenhalle Bonn gilt das mit aller gebührenden Ironie. Die passt hier erstaunlich gut.







