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Mein Publikumserlebnis …

… Antje Weithaas

Während der Votingphase für das Publikum des Jahres 2019 fragen wir Künstler nach ihren besonderen Publikumserlebnissen. Heute erzählt Antje Weithaas.

vonJohann Buddecke,

Es ist schwierig, ein besonderes Erlebnis herauszusuchen. Insgesamt finde ich, dass man in Kammerkonzerten immer einen besseren Kontakt zum Publikum hat als bei Orchesterkonzerten. Ich hatte im Sommer beim Schleswig-Holstein Musik Festival das Vergnügen, in einer kleinen alten Kirche in Flemhude bei Kiel zu spielen. Das war ein total inspirierendes Erlebnis! Es war ein wirklich schwieriges Programm mit Solo-Werken von Bach und Ysaÿe, doch es lag eine großartige Spannung und gleichzeitig eine Stille in der Luft, die sehr besonders war. Das lag sicher auch an der Kirche, vor allem an der Größe des Raumes, der wirklich nicht riesig ist, wodurch ich das Gefühl hatte, dass ich jeden Einzelnen im Publikum mitnehmen und direkten Kontakt zu ihm oder ihr aufbauen kann. Am nächsten Tag habe ich dann in Blankenese in Hamburg gespielt, in einer wesentlich größeren Kirche. Da saß auch ein wirklich tolles Publikum, das sehr aufmerksam zugehört hat, aber diese ganz große Intensität habe ich in dem kleinen Raum in Flemhude stärker gespürt.

Antje Weithaas: Appellieren an niedere Instinkte

Bei Orchesterkonzerten gibt es allein aufgrund der örtlichen Begebenheiten mehr Abstand zum Publikum, aber auch da passieren manchmal Sachen, die besonders sind, vor allem dann, wenn die Musik nicht laut ist und schnell wieder aufhört. Mit Lautstärke und Rasanz bekommt man ja letztlich jedes Publikum. Ich nenne das manchmal ironisch das Appellieren an die niederen Instinkte. Wobei „nieder“ in diesem Fall nicht negativ gemeint ist. Es wird Begeisterung durch Lautstärke und rhythmische Motorik erzeugt. Das ist ganz natürlich. Wenn aber Stücke gespielt werden, die leise aufhören, danach eine unglaubliche Ruhe im Saal herrscht und keiner sich wirklich traut mit dem Klatschen anzufangen, dann hat man alles genau richtig gemacht. Am besten funktioniert es, wenn man eine Zugabe spielt, die ganz leise aufhört. Dann sind die Leute wirklich gebannt und bewegen sich kaum. Da stört dann schon fast der Applaus. Letztendlich ist es nämlich gar nicht die Kraft oder die Länge des Applauses, die eine Rolle spielt, sondern mehr das, was bei Spielen zwischen mir und dem Publikum passiert.

Wie ich diese Intensität im Saal wahrnehme, ist allerdings ganz schwer zu beschreiben. Da gibt es diese Momente, in denen man sprichwörtlich die Stecknadel fallen hört. Diese Spannung kann man aber nicht künstlich erzeugen. Die entsteht manchmal, leider aber nicht immer. Genau das jedoch macht die Musik so einzigartig: Man kann sie einfach nicht erklären. Wenn diese Intensität allerdings entsteht, ist das für jeden Musiker eine wunderschöne Motivation.

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