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Porträt Camille Thomas

Die Entdeckerin

Die Cellistin Camille Thomas ist auf dem Weg, zur Meisterin der Klangfarben zu werden

vonMaximilian Theiss,

So leidenschaftlich, emotionsgeladen und explosiv Camille Thoxs ihrem Cello unerhörte Klangnuancen entlockt, so ruhig, fast schon stoisch wirkt sie auf der Bühne. Allein ihre zurückhaltende Mimik und die Finger ihrer linken Hand, die in atemberaubendem Tempo über das Griffbrett huschen, lassen die Leidenschaft erahnen, mit der die Franko-Belgierin die Celloliteratur angeht.

Geboren 1988 in Paris, begann sie ihre Celloausbildung im Alter von vier Jahren und studierte später an der Hanns Eisler-Musikhochschule in Berlin sowie an der Weimarer Musikhochschule „Franz Liszt“. Es dauerte nicht lange, bis sie auf den Podien der traditionsreichen Bühnen Europas wie dem Théâtre des Champs-Élysées, der Victoria Hall in Brüssel oder dem Berliner Konzerthaus mit renommierten Orchestern oder in Kammermusik-Formationen aufrat. Die Frage, ob Thomas eine Solokünstlerin mit kammermusikalischen Ambitionen ist oder eine Kammermusikerin, die auch solistisch auftritt, lässt sich nicht beantworten. In jedem Falle ist sie eine mitreißende Entdeckerin von Werken, die noch nicht oder nicht mehr die große Bühne gefunden haben. So stellte sie auf ihrer Debüt-CD „A Century of Russian Colours“ Werke aus drei russischen Epochen nebeneinander: Neben Rachmaninows Cellosonate erklingt auch jene von Dmitri Kabalewski als Zeitzeugnis für die Musik des sowjetischen Kommunismus, während die Préludes der zeitgenössischen Komponistin Lera Auerbach die musikalische Ära des postkommunistischen Russlands repräsentieren. Gemeinsam mit der Pianistin Beatrice Berrut legte Thomas nicht nur die Tiefe und Komplexität der slawischen Seele frei, sondern auch – der Albumtitel sagt es bereits – den Reichtum an kräftigen oder zarten, glanzvollen oder zurückhaltenden Klangfarben, den die russische Musikliteratur bietet.

Am erstaunlichsten ist jedoch, wie Camille Thomas ihre Zuhörer im übertragenen Sinne an die Hand nimmt und durch die unbekannteren Musikgefilde führt, und zwar weniger mit einem betulichen Bildungsauftrag als vielmehr mit einer ansteckenden Lust und Leidenschaft für die Musik. Eine aktuelle Wiederentdeckung ist auch César Francks A-Dur-Sonate, die der Komponist ursprünglich als Violinsonate für Eugène Ysaÿe, seinerzeit einer der größten Geiger, verfasst hatte. Das Werk ist auch auf ihrem zweiten Album „Reminiscences“ vertreten, das sie gemeinsam mit ihrem Klavierpartner Julien Libeer eingespielt hat und auf dem sie nun die französische Seele des Fin de Siècle erkundet. In Libeer hat die Cellistin übrigens einen Musiker gefunden, mit dem sie sich perfekt ergänzt, denn der Pianist übernimmt als klangliches Fundament den ruhigeren, zurückgenommeneren Part und gibt seiner Partnerin dadurch den nötigen Freiraum. Dabei nimmt er keinesfalls eine nur begleitende Funktion ein, sondern ergänzt und formt das farbenfrohe Spiel der Cellistin zu einem homogenen Gesamtklang.

Nachdem Camille Thomas vor zwei Jahren von den „Les Victoires de la Musique“, der französischen Version der Grammys, sowie beim „European Broadcasting Union-Competiton“ jeweils als Newcomerin des Jahres ausgezeichnet wurde, ist sie seither auf dem besten Weg, sich als feste Größe im internationalen Klassikbetrieb zu etablieren. Dazu hat sie in der noch jungen Spielzeit reichlich Gelegenheit (auch im deutschen Sprachraum), deren Höhepunkt die Uraufführung eines neuen Cellokonzertes im Frühjahr 2017 sein wird. Wie schon gesagt: Thomas ist eben sowohl Kammermusikerin als auch Solistin. Das Werk stammt übrigens aus der Feder des türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say. Unter den Komponisten hat sich die Cellistin also bereits einen Namen gemacht.

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