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Porträt Frank Dupree

Vermittler zwischen zwei Welten

Ob auf CD, im Konzertsaal oder auf Instagram: Der Pianist, Dirigent und Jazzer Frank Dupree bereichert die Klassikwelt mit viel Esprit und neuen Ideen.

vonJakob Buhre,

Es gibt einen Videoclip von Frank Dupree, in dem er Ravels „Boléro“ interpretiert. Nach und nach schiebt der Pianist mehrere Flügel ins Bild, an denen er eine weitere Orchesterstimme hinzufügt – bis er am Ende an zehn Instrumenten gleichzeitig spielt. Der Clip von 2017 ist so gut gemacht, dass es scheint, als habe Dupree mehrere Doppelgänger.Tatsächlich könnte man auch angesichts der vielen Facetten seines Lebenslaufs den Eindruck bekommen, dass der 1991 in Rastatt geborene Dupree mindestens einen Zwillingsbruder hat.

Am Beginn steht das Schlagzeug, was bereits im Alter von drei Jahren sein erstes Instrument ist. Zum Unterricht in Jazz-Schlagzeug kommt im fünften Lebensjahr Klavierunterricht hinzu, mit elf wird er in eine Klavier-Klasse für hochbegabte Kinder an der Musikhochschule Karlsruhe aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hat Dupree auch schon Kompositionsunterricht, bald kommt das Hauptfach Dirigieren hinzu, mit vierzehn steht er bereits vor dem Hochschulorchester und dirigiert das Brahms-Requiem. Als Pianist gewinnt er Preise bei mehreren Dutzend Musikwettbewerben, darunter 2014 den Preis beim Deutschen Musikwettbewerb in Bonn. Seit 2018 steht auch ein Opus Klassik im Trophäenschrank. Er spielt in Trio-Besetzung auf Jazz-Festivals, als Solist mit dem London Philharmonic Orchestra oder den Essener Philharmonikern, arbeitet mit dem Schlagzeuger-Ensemble Repercussion zusammen, initiiert mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz die Konzertreihe „Connect It!“ und bringt zeitgenössische Musik von Wolfgang Rihm oder Sarah Nemtsov zur Uraufführung.

Wenn er zurückschaue, wisse er selbst manchmal nicht so genau, wie er das zeitlich alles geschafft hätte, erzählt Dupree. Drill oder Zwang habe er jedenfalls nie erlebt. „Ich war ganz normal bis zum Abitur in der Schule, habe zwar lieber Klavier gespielt, trotzdem die Hausaufgaben brav gemacht.“ Selbst wenn Sportlehrer sich manchmal um seine Hände sorgten, habe er Handball oder Fußball genauso mitgespielt wie alle anderen. „Es war mir immer wichtig, auf dem Boden zu bleiben, Kind zu bleiben, die Jugend zu erleben. Mal habe ich nur eine Stunde Klavier geübt, manchmal waren es acht Stunden, aber das war alles im gesunden Rahmen.“

Auch im Internet künstlerisch aktiv: Frank Dupree

Auch in der Corona-Zeit ließ sich Dupree seine Spielfreude nicht nehmen. Anstatt in den Konzertsaal ging er nun ins Netz und produzierte mit Musiker-Kollegen unterhaltsame Videos, bei denen er mal am Klavier und mal am Schlagzeug sitzt. Er gab von seiner Terrasse ein Open-Air-Konzert für die Nachbarschaft – und er plante während der Pandemie insgesamt vier CD-Veröffentlichungen, von denen nun bereits zwei vorliegen.

Ein Album hat er dem Russen Nikolai Kapustin gewidmet, dessen viertes Klavierkonzert er mit dem Württembergischen Kammerorchester mit sehr viel Groove eingespielt hat. Für den 2020 verstorbenen Komponisten könnte es kaum einen besseren Interpreten geben, da er in seinen Werken Jazz-Harmonik und klassische Komposition auf wunderbarste Weise vereinte. Und Dupree ist – als einer der ganz wenigen Pianisten – bis heute in beiden Welten zuhause. Wer etwa auf Youtube seine Interpretation des Schumann-Klavierkonzerts anhört, kann sich im Anschluss eine fulminante Darbietung von Frank Duprees Jazz-Trio anschauen.

Frank Dupree
Frank Dupree

„Für mich sind beide Welten gleich wichtig, sie haben sich auch in den letzten hundert Jahren immer wieder gegenseitig bereichert: Strawinsky hat für Bigband geschrieben, Benny Goodman hat Klarinetten-Konzerte von Copland und Hindemith aufgeführt. Wir hören den Jazz auch bei Milhaud, Gershwin oder Ravel, wobei wir Ravel natürlich ins Klassik-Regal einsortieren. Die Grenzen sind oft fließend. Mahler hat sich von Blasmusik inspirieren lassen, Bartók von Folklore, Mozart und Haydn von der Straßenmusik ihrer Zeit.“

Von Beethoven bis Ellington

Gerne lässt Dupree diese Grenzen auch in seinen Konzerten verschwimmen, etwa wenn er nach einem Beethoven-Klavierkonzert, das er vom Flügel aus dirigiert, Duke Ellingtons sinfonische Suite für Orchester und Jazz-Solisten aufs Programm setzt und als Zugabe virtuos über den Ellington-Standard „Caravan“ improvisiert. Oder wenn er sich im Klavier-Recital zwischen Werken verschiedener Komponisten spontan Überleitungen im Jazz-Stil ausdenkt.

„Die Menschen gehen ins Konzert, um etwas zu erleben. Ich finde, da können wir noch bunter werden, den Horizont erweitern, nicht nur den eigenen, sondern auch den des Publikums. Da ist in der Klassik noch viel Luft nach oben.“

Eine bekannte Kollegin, die das Konzertformat in den letzten Jahren bereits mit ihren Improvisationen dankbar erweiterte, konnte Dupree übrigens schon einmal spontan vertreten. „Das war mein letztes Konzert vor dem ersten Corona-Lockdown. Um 23 Uhr klingelte mein Telefon und ich wurde gefragt, ob ich am nächsten Tag in Newcastle anstelle von Gabriela Montero das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky spielen kann. Da habe ich dann noch schnell etwas geübt und war um sechs Uhr morgens am Flughafen.“ „Frisch, empathisch und lebensbejahend“ sei seine Interpretation gewesen, schrieb zwei Tage später ein Kritiker – und das Publikum „gefesselt.“

Frank Dupree interpretiert Ravels „Boléro“:

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